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Fridtjof Küchemann, Redakteur im Feuilleton

Facebook-Mitarbeiter warnen : Bevor es zu spät ist

Zweierlei Maß für die Wahrheit? Mark Zuckerberg bei seiner Rede in der Georgetown Universität in Washington am 17. Oktober Bild: AP

Weil Facebook Politikern gestattet, auch mit Lügen Werbung zu machen, steht Mark Zuckerberg in der Kritik. Auch in den eigenen Reihen, wie ein Brief von Mitarbeitern zeigt. An ihrer Verbundenheit lässt er keinen Zweifel. Auch nicht am Ernst der Situation.

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          Ihre Haltung ist ebenso unmissverständlich wie der Ernst ihres Anliegens: „Wir sind stolz, hier zu arbeiten.“ So beginnt ein Brief an Mark Zuckerberg und seine Chefetage, der in den vergangenen zwei Wochen im firmeninternen Kommunikationsprogramm „Facebook Workplace“ des größten sozialen Netzwerks zu finden war. Mehr als zweihundertfünfzig Mitarbeiter, berichtet die „New York Times“, sollen den Brief unterzeichnet und – nach der Versicherung ihrer Verbundenheit mit dem Unternehmen – deutliche Kritik geäußert haben.

          Verglichen mit der Dimension, die Proteste bei anderen IT-Giganten wie Amazon oder Google angenommen haben, mutet die Zahl bei etwa fünfunddreißigtausend Beschäftigten gering an. Aber hier geht es nicht um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen oder den Umgang des Unternehmens mit Vorwürfen sexueller Belästigung, sondern um ein Anliegen, das nach Ansicht der Unterzeichner öffentlich gemacht werden muss, „bevor es zu spät ist“. Schließlich nennen die Unterzeichner Facebook „ihr Unternehmen“ und sind stolz darauf, für eine Plattform zu arbeiten, die viel dafür getan hat, Menschen Gehör zu verschaffen.

          Es geht ihnen um den Umgang Facebooks mit der Werbung von Politikern, in der Lügen verbreitet werden. So etwas erlaube ihnen, „unsere Plattform als Waffe einzusetzen, indem sie auf Leute zielen, die glauben, von Politikern veröffentlichte Inhalte seien vertrauenswürdig“. Vor knapp zwei Wochen hatte Mark Zuckerberg bei einem Auftritt in der Georgetown-Universität verteidigt, Politikern das Plazieren irreführender Werbung zu gestatten, nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump in einer solchen Werbebotschaft auf Facebook seinen möglichen Herausforderer bei der Wahl im kommenden Jahr, den demokratischen Politiker Joe Biden, ohne jede Grundlage der Korruption bezichtigt hatte.

          Mitte September hatte Trump Zuckerberg im Oval Office empfangen, in einer Zeit, in der Facebook wegen möglicher Kartellrechtsverstöße ebenso im politischen Fokus stand wie wegen angeblicher Voreingenommenheit konservativen Inhalten gegenüber. Trump hatte das Treffen anschließend auf Twitter „gut“ genannt. Jetzt schlagen die Facebook-Mitarbeiter für politische Werbung vor, gleiche Vorgaben wie für andere Werbung gelten zu lassen, sie klar zu kennzeichnen, das Tracking der Nutzer einzuschränken und eine Höchstgrenze für ihre Ausspielung festzulegen. Ihr Brief endet so unmissverständlich, wie er beginnt: „Noch ist dies unser Unternehmen“, schreiben sie – in einer Zeit, in der sich viele Nutzer von Facebook abwenden, weil es nicht mehr ihr soziales Netzwerk ist.

          Fridtjof Küchemann
          Redakteur im Feuilleton.

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