Erpressung durch Adblocker : Wer werben will, soll zahlen
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Geld her, oder wir schießen euch die Werbung kaputt: Mit Adblockern kann man im Netz Geld verdienen, man muss es anderen nur wegnehmen. Bild: Kat Menschik
Adblocker zerstören das Geschäft von Online-Publikationen: Sie tilgen Werbung im Internet. Die Firma Eyeo setzt dabei sogar auf Erpressung: Man kann sich von ihrer Blockade freikaufen. Die Ersten wehren sich dagegen.
Mafiamethoden? Wegelagerei? Till Faida kennt die Vorwürfe. Sie seien komplett unsinnig, sagt der 31 Jahre alte Kölner Unternehmer. Aber wie anders soll man das Geschäftsmodell seiner Firma Eyeo beschreiben, die er vor vier Jahren gemeinsam mit dem Entwickler Wladimir Palant gegründet hat? Sie hat das große Erpressungspotential eines kleinen Online-Tools entdeckt, mit dem sich das Finanzierungsmodell der Internetpublizistik torpedieren lässt. Faida würde niemals von Erpressung sprechen. Er nennt es „Zusammenarbeit mit Partnern“ und formuliert Sätze wie: „Wir schaffen Lösungen für Publisher.“ Lösungen für ein Problem allerdings, das Eyeo selbst mit seinem Produkt allein zu dem Zweck schafft, um es für zahlende Kunden wieder aus der Welt zu räumen.
Das Produkt heißt „Adblock Plus“ und ist der Marktführer unter den Werbeblockern. Nutzer können die Software kostenlos herunterladen. Im Browser installiert, blendet sie - so das Versprechen - sämtliche Werbung aus, der man beim Surfen normalerweise begegnen würde. Keine Banner, keine Pop-ups, keine Anzeigen, die sich vor Texte schieben, keine ungewollt startenden Filmchen, sondern schnellere Ladezeiten - das klingt bequem. Es verkennt aber, dass es das, was zwischen dem von Adblockern freigeräumten Weißraum steht, gar nicht gäbe, wenn es nicht von Werbung finanziert würde. Weil nichts im Leben kostenlos ist, auch kein Online-Angebot, das von seinen Nutzern kein Geld verlangt - und nicht einmal Adblocker.
Das hat Eyeo klug erkannt und schlägt mit „Adblock Plus“ Kapital aus der Tatsache, dass immer mehr Nutzer den aus der analogen Medienwelt ererbten Deal, dass etwas entweder teurer wird oder man als Kunde mit der Werbung im Produkt leben muss, aufkündigen. Eyeo offeriert einen neuen Deal. Wer die Softwarefirma bezahlt, kann die Werbung auf seiner Website freikaufen. Sie landet dann auf einer „Whitelist“ mit „acceptable ads“, einer Positivliste mit akzeptabler, vermeintlich nicht störender Reklame also, und passiert den Filter. Kostenpunkt: In der Regel dreißig Prozent der Mehreinnahmen aus Werbung, die Websites durch diese Freischaltung generieren, sagt Faida.
Keine Werbung auf dem Smartphone?
Google, Yahoo, Microsoft, Amazon, Ebay, Fox und CNN sollen auf seiner etwa siebzig Namen umfassenden Liste zahlender Kunden stehen, auch Web.de und Gmx.de. Die öffentlich einsehbare „Whitelist“ allein sagt noch nicht aus, ob Geld fließt. Äußern will sich Faida dazu ebenso wenig wie zu den Umsätzen, die er mit seinen 42 Mitarbeitern erwirtschaftet. Er stellt sich lieber als eine Art Robin Hood des Internets dar, der nur von den Großen nehme. Einzig Firmen ab einer bestimmten Größe unterbreitet er das Angebot, das sie vermeintlich nicht ablehnen können - nur da lohnt es sich wirtschaftlich. Kleinere können um kostenlose Freischaltung bitten. Faida sagt, „Adblock Plus“ sei der einzige Werbefilter, der überhaupt mit Inhalteanbietern spreche, statt einfach ihr Werbegeschäft kaputtzumachen. Er schaffe bessere Werbeakzeptanz. Es ist die Argumentation eines Parasiten, der seinen Wirt nicht töten möchte, weil er ihn dann nicht weiter aussaugen könnte.
In Deutschland waren bisher sämtliche Klagen gegen Eyeo, die etwa auf Verstöße gegen das Urheberrecht (weil Eyeo in den Inhalt der Seiten eingreift), unlauteren Wettbewerb und Verstöße gegen das Kartellrecht lauteten und die von Springer, Pro Sieben Sat.1 und Spiegel Online angestrengt wurden, in erster Instanz erfolglos. Gleichzeitig ist die Zahl der Adblocker-Nutzer in den vergangenen Monaten gestiegen. Auf Websites wie „Heise Online“, die sich vor allem an digital interessierte Leser richten, liegt die Quote inzwischen bei fünfzig Prozent, bei anderen Nachrichtenportalen um die zwanzig Prozent.