Enthüllungsplattform „The Intercept“ : Snowden und der Drohnenkrieg
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Die Bilder bei „The Intercept“ jedenfalls sind schön: Trevor Paglen hat nächtens die NSA-Zentrale Fort Meade, Maryland, fotografiert Bild: Trevor Paglen/The Intercept/dpa
Der Enthüller Glenn Greenwald und der Ebay-Gründer Omidyar haben ihre Investigativplattform „The Intercept“ gestartet. Der Auftakt ist – etwas enttäuschend.
Als reine Investigativ-Plattform hatte der Ebay-Gründer Pierre Omidyar sein neues Medienprojekt, das er mit dem vom „Guardian“ abgeworbenen Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald aufzieht, nicht angekündigt. Dass es sich zum Start mit den Enthüllungen um die NSA-Spionage beschäftigen würde, war jedoch abzusehen. Greenwald befindet sich nun einmal im Besitz der Dateien, die Edward Snowden heimlich von den Servern der NSA kopierte. Überraschend war es höchstens, weil Greenwald selbst die Bedeutung dieser Dokumente zuletzt heruntergespielt hatte. Das Material sei weitgehend ausgebeutet, weitere Sensationen nicht zu erwarten, sagte er.
Das erste Magazin aus dem Hause Omidyar straft ihn Lügen. „The Intercept“, dessen Chefriege Greenwald zusammen mit der Dokumentarfilmerin Laura Poitras und dem Investigativjournalisten Jeremy Cahill bildet, verlässt sich zum Start ganz auf das Snowden-Reservoir. Im ersten von zwei bisher erschienen Artikeln befassen sich Greenwald und Cahill mit der Frage, wie stark sich das amerikanische Militär bei seinen Drohnenangriffen auf trügerische elektronische Evidenzen der Überwachungsbehörden verließ. Mit seiner These, das blinde Technikvertrauen habe zum Tod mehrerer Unschuldiger geführt, betritt der Text kein Neuland. Neu sind immerhin die Quellen, mit denen Greenwald und Cahill sie belegen, unter anderem mit Videomaterial. Der zweite Text des Fotografen Trevor Paglen ist zum Start eines Investigativportals eine Enttäuschung: Über Paglens Aufnahmen von Überwachungsstationen wurde schon andernorts berichtet.
Schnellschuss mit Lücken
Die Drohnengeschichte reiht sich ein in die Debatte um die vom amerikanischen Präsidenten ohne richterlichen Beschluss und parlamentarische Teilhabe beschlossenen Ferntötungen, die allgemein als Aushöhlung demokratischer Standards gelten. Sie unterstreicht Omidyars Anspruch, mit seinem 250 Millionen Dollar schweren Medienprojekt die Demokratie in einer erodierenden Medienlandschaft zu schützen und Enthüllungsreportern einen sicheren Hafen vor staatlichen Übergriffen zu bieten. Greenwald hat derlei Repressionen selbst durch die vorübergehende Festnahme seines Lebensgefährten am Londoner Flughafen erfahren. Die Einschüchterungsversuche hätten gerade in den letzten Wochen rapide zugenommen, schreibt er im Editorial. Man wolle daher zunächst aggressiv über die NSA-Spionage berichten. Langfristig soll sich „The Intercept“ zu einem allgemeinen Enthüllungsportal entwickeln.
Weitreichende Schlüsse über den journalistischen Stil, den Omidyar mit „First Look Media“ pflegen will, lassen sich aus der ersten Publikation noch nicht ziehen. „The Intercept“ ist ein Schnellschuss, der auf die kritischen Arbeitsbedingungen von Enthüllungsjournalisten ohne Verzögerung reagieren wollte. Für den weiteren Verlauf des Jahres hat „First Look Media“ eine ganze Reihe von Onlinemagazinen angekündigt , die von Unterhaltung bis Sport alle gesellschaftlichen Bereiche abdecken sollen.
Im Dienst von Reputation und Aufklärung
Dem Frühstart geschuldet, sind die einzelnen Rubriken von „The Intercept“ noch spartanisch bestückt. Dass eine Rubrik Greenwalds eigenen Namen trägt, lässt sich als Reverenz an das Starprinzip verstehen. Man wolle Journalisten rekrutieren, die schon lange respektiert und bewundert werden, heißt es im Editorial. Nach gezielter Nachwuchsförderung klingt das nicht. Vernachlässigt müssen sich auch die übrigen sechzehn Reporter von „The Intercept“ nicht fühlen, auch wenn in der Startversion hinter ihren großformatigen Bildern noch Textlücken klaffen.
Wie sich die Synthese von digitaler Technik und Nachrichtenbetrieb abbilden soll, die Omidyar vorschwebt, lässt die Startversion völlig im Dunklen. Mit seinem schlichten Blogformat bietet „The Intercept“ geradezu eine Parodie auf die annoncierte Neuerfindung des Journalismus für das digitale Zeitalter, immerhin aber einen wohltuenden Kontrast zum bunten Boulevard der „Huffington Post“. Mit ihrem für die Weltberichterstattung beauftragten Ableger „World Post“ , der den Reichen und Mächtigen eine Stimme bietet, hat die „Huffington Post“ das Starprinzip jüngst auf die Spitze getrieben. In seinem Vertrauen auf altgediente, erfahrene Journalisten ist „The Inception“ dem nicht unähnlich, wenngleich das Anliegen der Beiträger dringlicher ist. Die Hoffnung auf Reputationsgewinn ist hier mit ernsten publizistischen Anliegen gemischt.