James Spader : Nur der Kuss einer Frau kann ihn retten
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Agent der alten Schule: James Spader als Raymond „Red“ Reddington Bild: RTL
James Spader setzt auf abgründige Charaktere. In der Serie „The Blacklist“ spielt er einen Gangster, der die Seiten wechselt. Oder nicht? Bei diesem Darsteller weiß man nur: Es wird nie langweilig. Wir trafen ihn in London.
In einem Sessel des holzgetäfelten Salons eines Londoner Boutiquehotels ist James Spader kaum zu unterscheiden von dem undurchsichtigen Meisterverbrecher Raymond Reddington, genannt Red, den er in der NBC-Serie „The Blacklist“ verkörpert. Der Agent in eigener Sache lebt gern auf großem Fuß. Als er nach zwanzig wilden Jahren in der Unterwelt wiederauftaucht und sich dem FBI andient mit einer Liste von Terroristen, Agenten und Kriminellen, die er nach und nach eliminieren will, lässt sich der abtrünnige Marineoffizier vom Geheimdienst in einer Nobelherberge unterbringen.
Sie ist nicht so hip wie die Unterkunft in Covent Garden. Mit einem T-Shirt der Punkband „The Clash“ unter der Anzugjacke wirkt Reddingtons Darsteller auch etwas weniger förmlich als die Fernsehfigur, die Krawatte und Weste trägt, wenn sie zur Tat schreitet. Und das Lächeln des amerikanischen Schauspielers fährt nicht so schneidend durch einen durch, wie das sardonische Gackern des Killers, der seine Opfer mit einer trockenen Pointe in den Tod zu verabschieden pflegt.
Aber Spader sitzt ähnlich gelassen da, wie er bisweilen auf dem Bildschirm zu sehen ist. Er antwortet erst nach sorgfältigem Überlegen. Den geschorenen Kopf ironisch zur Seite neigend, mustert er sein Gegenüber mit dem gleichen ehrfurchtslos-prüfenden Blick, der nichts preisgeben will. Neben dem Sessel liegt ein Fedora. Auch den hat Spader mit Reddington gemeinsam. Der Hut zählt zu den persönlichen Noten, die der Schauspieler selbst in die Serie eingebracht hat. Mit diesem flamboyanten Attribut signalisiert der Träger – auf dem Bildschirm und als Privatmann – seine Eigenständigkeit.
Die Faszination verdeckter Verschrobenheiten
Reddington ist der jüngste in einer Reihe von kauzigen Schurken und Sonderlingen, wie dem voyeuristischen Graham in „Sex, Lügen und Video“, dem fetischistischen James Ballard in „Crash“, oder dem skrupellosen Alan Shore in der Anwaltsserie „Boston Legal“ und demnächst dem Roboter-Bösewicht Ultron in dem Nachfolgefilm zum Kassenschlager „The Avengers“, durch die sich der 54 Jahre alte Spader als Charakterdarsteller hervorgetan hat. Ihn faszinieren die von dem Firnis der Konvention verdeckten Verschrobenheiten. Je weniger offensichtlich die subtilen Komplexitäten einer Figur sind, desto größer die Herausforderung, weil, so führt Spader aus, jeder Verbergungsversuch suggeriere, dass es etwas auszukundschaften gebe. Das hat ihn neben der Ironie und dem pietätlosen Humor freilich auch an seiner Rolle in „The Blacklist“ gereizt.
Spader unterstreicht, dass in einer Fernsehserie mit ungewisser Laufzeit die Spannung, anders als im Film oder auf der Bühne, lange aufrechterhalten werden müsse. Bei einem zugänglichen Charakter gelinge das kaum. Deswegen verpflichtet sich der wählerische Spader nur, wenn seine eigene Neugier angestachelt wird. Als Darsteller liebt er das Unerwartete, zumal in dieser Serie, wo einem der Boden ständig unter den Füßen weggezogen werde. Das treffe für den Teilnehmer wie für den Zuschauer zu.
Als besonders schwierig empfindet er, dass er möglicherweise ein Gespür für das kurze und das lange Spiel habe, nicht aber für das Mittelspiel. Trotz seiner engen Zusammenarbeit mit den Autoren weiß Spader nicht, auf welch verschlungenen Wegen die Handlung von „The Blacklist“ zur Auflösung gelangt: „Alles kann anders werden.“