Das Videospiel „Doom Eternal“ : Ein Dämon kommt selten allein
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Der wandelnde Beweis dafür, dass zu viel Wut schlecht für den Teint ist: Im Videospiel „Doom Eternal“ gehört der Marauder noch zu den hübscheren Gegnern. Bild: Bethesda
Das ist Wahnsinn, aber gut kalkuliert: In dem Videospiel „Doom Eternal“ jagt ein Übermensch Dämonen zum Teufel. Ein blutiger Tanz zwischen Trash und Machotum.
Wir dürfen Dante da nicht mit reinziehen. Obgleich er schon damit zu tun hat. Wer sich dem virtuellen Verdammnisverdauungsapparat des Videospiels „Doom Eternal“ aussetzt und Computerspiele mehr als Eskapismusgewürz denn als bierernstes Lebenselixier betrachtet, braucht zuallererst einen ironischen Filter. Ungefiltert dürfte das Spiel auf den Durchschnittsspieler die Wirkung von sechs in einem Zug gerauchten Roth-Händle-Zigaretten entfalten. Musik sei empfohlen. Nicht der offizielle Soundtrack. Der gießt nur Öl in ein Feuer, das auch durch Fluten aus Dämonenkunstblut nicht gelöscht werden kann. Zudem hat sich der Komponist Mick Gordon – er verewigt sich an dieser Stelle durch mit der Kettensäge ausgeführten Laubsägearbeitstiteln wie „Rip & Tear“, „Hellwaker“, „Harbinger“ oder „Flesh & Metal“ – mit den Entwicklern von „id Software“ über die Qualität der Abmischung zerstritten.

Redakteur im Feuilleton.
Erlösen kann uns nur einer: Vielleicht hatte Wolfgang Petry im Jahr 1983 eine Epiphanie, als er mit dem Text zu „Wahnsinn“ die komplette Erzählung des ersten „Doom“-Titels (und aller folgenden) – erschienen anno 1993 und nicht nur in puncto Pixel-Splatter ein Meilenstein der Comperspielgeschichte – vorwegnahm. Auch in „Doom Eternal“ geht es um bleischwere Herzen, leere Wohnungen (im weitesten Sinne), Sondermüll, erfrorene Seelen, rennende Wölfe und den ganz normalen Wahnsinn zwischen Himmel und Hölle. Da sich die bis zu zwölf Stunden lange Spieldauer damit aber nur unzureichend füllen lässt, stünde noch zur Auswahl: „Heute Abend bleibt der Teufel in der Hölle“ (Cordalis), „Mein Himmel auf Erden“ (Amigos), „In meinen Träumen ist die Hölle los“ (Feuerherz) oder für die Hartgesottenen „Denn Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen“ (BWV 15) sowie „Tod, Teufel, Sünd’ und Hölle“ aus dem Schlusschoral der sechsten Kantate des Weihnachtsoratoriums (BWV 248). Wer glaubt, wir übertreiben, hat noch kein „Doom“ gespielt. Übertreibung ist das Herzstück des Unterfangens.
Kritische Geister scheiden sich nun an der Frage, ob man die Erzählung dieses Himmelfahrtskommandos nicht ganz vernachlässigen kann. Wir finden: Nein. Auch wenn sie im aktuellen „Doom Eternal“ vor allem in angekokelten Textfragmenten vorkommt, die der Spieler auflesen kann. Sie klingen, als hätte Robert E. Howard („Conan der Cimmerier“) die Bibel interpretiert und treffen den Ton der „Doom“-Welt präzise.
Was bisher geschah: Im „Doom“ von 1993 zieht ein Soldat – „Doomguy“ genannt – gegen die Hölle los. In seinem Universum hat die Menschheit schon 2010 begonnen, andere Planeten zu kolonisieren. Auf dem Mars und seinen Monden Deimos und Phobos hat die turbokapitalistische Union Aerospace Corporation (UAC) Basen errichtet, in denen sie interdimensionale Forschung betreibt. Das geht daneben. Der „Doomguy“ ist mittendrin, und seine Feuerkraft wächst linear zu Größe und Gemeinheit der Monster: Von der Kettensäge geht es über die „Supershotgun“ bis zur „BFG 9000“ – kurz und tonangebend für: „Big Fucking Gun“. Zarte (und letztlich irreführende) Hinweise, dass man diese mobile Ein-Mann-Fleischerei nicht zu ernst nehmen möge, gab es schon damals: Eines der ersten (Rache-)Motive lautete, dass „Doomguy“ die armen Teufel für den Mord an seinem Haustier-Hasen Daisy büßen lässt.