„Downton Abbey“ im ZDF : Die gnädige Lordschaft lässt schön bitten
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Stets zu Füßen: Der Lord, Earl of Grantham (Hugh Bonneville) und seine angebetete Lady Cora (Elizabeth McGovern). Ihr Geld finanziert den Glanz des Hauses Bild: ZDF
Epos und Ereignis: Erstmals im frei empfangbaren Fernsehen zeigt das ZDF die englische Serie „Downton Abbey“, das große Gesellschaftsbild einer vergangenen Zeit. Szenerie und Dialoge sind ein Hochgenuss.
Man weiß ja auch nicht so genau, warum solche Szenerien immer so erfolgreich sind: Oben schleicht der unweigerlich früher oder später vom Bankrott bedrohte Lord durchs Gemäuer, umflattert von seinen Töchtern, die es unter die Haube zu bringen gilt, und unten in den Dienstbotenräumen tut sich eine zweite Welt auf, quasi der Maschinenraum des Hauses, der in unendlichen Speiseabfolgen und Polierarbeiten für Ordnung sorgt, wenn er sich nicht gerade in Intrigen zermürbt.
Die englische Literatur hat mit diesem Genre ungefähr 250 Jahre lang Erfahrungen gesammelt und Erfolge gefeiert, und Film und Fernsehen produzieren begeistert Adaption um Adaption oder variieren den Stoff.
Der größte Erfolg der letzten Jahre ist „Downton Abbey“, eine ITV-Serie um das gleichnamige Haus und dessen Bewohner, namentlich Lord Grantham (Hugh Bonneville), die nun endlich im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird. Ein bemerkenswerter und vor allem weltweiter Erfolg, der bis in die Vereinigten Staaten reicht, sogar Michelle Obama bekannte sich als glühender Fan.
Und man kann natürlich anfangen zu spekulieren, dass gerade in unsicheren Zeiten wie diesen ein Genre, das eine fest reglementierte Gesellschaft zeigt, einen derartigen Zuspruch haben muss.
Die Kunst der Konversation
Aber die Zeiten sind ja immer unsicher, zumindest finden sich stets Zeitgenossen, die das behaupten, und Kostümdramen, die in englischen Herrenhäusern spielen, kommen sehr oft an - man denke an das gute, alte „Haus am Eaton Place“ oder die regelmäßigen Neuverfilmungen der Romane von Jane Austen und den Brontë-Schwestern.
Vermutlich liegt der Erfolg vor allem daran, dass das Drehbuch von „Downton Abbey“ so gut geschrieben ist, dass keine Dialogzeile überflüssig scheint. Der Autor Julian Fellowes, der für das Skript des ähnlich gelagerten Films „Gosford Park“ einen Oscar bekam, beherrscht die Kunst der Konversation ebenso perfekt wie jene ihr zugrunde liegende Tugend, die in England als „Wit“ bezeichnet wird und für die der deutsche „Witz“ eine nur sehr unzureichende Übersetzung bietet.
Die Pointen sitzen mindestens so gut wie die Anzüge und die Frisuren. Und Fellowes, selbst adliger Herkunft, kennt die Welt, die er beschreibt, aus eigener Anschauung - wenn auch nicht die Epoche vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, mit der die Handlung der Serie einsetzt. Er versteht auch, dass das Haus mehr ist als nur ein Ort für eine dem Genre entsprechend meist reichlich verworrene Handlung - es ist der Hauptdarsteller.
Tradition des Genres
Und das ist vermutlich der zweite Erfolgsfaktor: Diese Welt des Herrenhauses ist eine, in der nicht nur die Unterhaltung, sondern jede Alltagshandlung als Kunstform zelebriert wird. Man gibt sich Mühe. Mit allem. Keine noch so kleine Verrichtung wird improvisiert dahingeschlampt, es geht stets um Vollendung, sind die Umstände noch so widrig. Alles ist Ritual. Und das Ritual aufzugeben bedeutet für den Lord nicht Befreiung, sondern Verlust, weshalb mit allen Mitteln an der täglichen Routine festzuhalten ist.
Und regelmäßig rennt er an gegen den Reformeifer ambitionierter Tanten (Isobel Crawley, gespielt von Penelope Wilton) und Töchter. Und natürlich gibt es stets eine im Viktorianismus steckengebliebene Großmutter (eine pudertrockene Maggie Smith als Violet Crawley), ein Archetyp, der auch bei Oscar Wilde und P. G. Wodehouse zuverlässig für Erheiterung und Schrecken sorgt. Dass sich „Downton Abbey“ der Traditionen des Genres in jeder Zeile bewusst ist, macht es auch für beschlagene Liebhaber englischer Literatur zum großen Vergnügen.
Mit diesen Versatzstücken der Klassiker erzählt Fellowes die Geschichte der über diese Häuser hereinbrechenden Moderne in Form eines an Stärke gewinnenden Bürgertums. Was jahrhundertelang felsenfest gemauert dastand, steht plötzlich zur Disposition: Das Herrenhaus ist kein Ort der Sicherheit und der Stabilität mehr. Rundherum wandelt sich die Welt in nie dagewesener Geschwindigkeit, doch im Kosmos des Hauses gilt eine verschwundene Tabakdose als größte anzunehmende Katastrophe.
Aber es zeichnet sich ab, dass dies nur für die erste Staffel gilt. Das internationale Publikum ist da schon weiter, hat den Ersten Weltkrieg überstanden und Lord Grantham dabei zugeschaut, wie er die Schrecken der weiblichen Emanzipation erdulden muss. Dem deutschen Publikum sei also dringend angeraten, mit dieser ersten Staffel einzusteigen und sich auf die Fortsetzung zu freuen. Denn eine derart glänzend geschriebene und vor allem auch gespielte Serie bekommt man nicht alle Tage zu sehen.