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Dieter Nuhr : „Ich wollte keine Werbung für Salafisten machen“

Dieter Nuhr wehrte sich gegen den Shitstorm. Bild: dpa

Der Kabarettist Dieter Nuhr macht Witze, worüber andere lieber schweigen - über die Gefahr durch den Islamismus zum Beispiel. Warum ist er dann mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ aneinandergeraten?

          3 Min.

          Der Kabarettist Dieter Nuhr und die „Neue Osnabrücker Zeitung“ haben sich ineinander verhakt. Am vergangenen Freitag machte die Zeitung groß mit der Geschichte auf, dass ein in Osnabrück lebender Muslim namens Erhat Toka Strafanzeige gegen Nuhr wegen religiöser Beleidigung gestellt habe. Nuhr, so wurde Toka in der Zeitung zitiert, betreibe in seinem Kabarettprogramm eine „blöde, dumme Hetze“ gegen Minderheiten, gegen die Muslime. Er sei ein „Hassprediger“.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Die Zeitung berichtete breit, Tokas ausgiebig zitierte Vorwürfe blieben unwidersprochen. Was bei einer solchen Geschichte, die davon handelt, dass jemand der „Hetze“ bezichtigt wird, ungewöhnlich ist – um es vorsichtig zu sagen.

          Angefragt hatte die Zeitung Dieter Nuhr, wie der für die Berichterstattung verantwortliche Redakteur Rainer Lahmann-Lammert im Gespräch mit FAZ.NET sagte, jedoch mehrmals: „Seit dem 6. Oktober habe ich versucht, eine Stellungnahme von Dieter Nuhr zu bekommen, zuerst per Mail an seine Agentur, dann telefonisch. Schon beim ersten Kontakt habe ich auf die von Herrn Toka angekündigte Demonstration hingewiesen und deutlich gemacht, dass mir eine Stellungnahme von Herrn Nuhr sehr wichtig ist.“

          Den Skandalsierungsbedarf nicht auch noch anfeuern

          Nach mehreren Vertröstungen habe ihn Nuhrs Agent angerufen und gesagt, dass der Kabarettist erst in der Woche nach dem Auftritt ein Interview geben wolle. Er habe „sehr eindringlich“ erklärt, sagte Rainer Lahmann-Lammert gegenüber FAZ.NET, „dass ich auf jeden Fall vor dem 25. Oktober, also dem Tag des Auftritts in Osnabrück, berichten würde und dass mir die Stellungnahme von Herrn Nuhr zu den Vorwürfen aus dem islamischen Lager eminent wichtig sei.“

          Der Kabarettist jedoch wollte, wie er im Gespräch sagt, vor seinem Auftritt am vergangenen Samstag in Osnabrück nicht auch noch Werbung für einen Radikalen machen: „Ich habe denen mitgeteilt, dass ich im Vorfeld der Islamistendemo keine Werbung für Salafisten machen möchte, in dem ich deren Skandalisierungsbedarf durch eigene Presseäußerungen anfeuere. Ich dachte, das Argument wäre einsichtig. Die Zeitung hat dann wohl noch öfter angefragt, nicht bei mir, aber bei meiner Agentur. Ich war aber davon ausgegangen, dass die auch keine Werbung für Herrn Toka machen wollen. Außerdem hatten wir ja einen Interviewtermin für den Dienstag danach. Dass die daraufhin vor meinem Auftritt einen Islamisten zu Wort kommen lassen, ohne seine Thesen auch nur ansatzweise kritisch zu begleiten, das ging über mein Vorstellungsvermögen. Der konnte dort unwidersprochen sinngemäß behaupten, in der Bibel stünde dasselbe wie im Koran, ein großer Unsinn, wie jeder halbwegs Gebildete weiß. Das hat den Journalisten vor Ort aber nicht zu Widerspruch ermuntert. Das ist vielleicht auch heutzutage zu viel verlangt.“

          So nahm die Geschichte Fahrt auf, wenngleich sich zu der von Erhat Toka angekündigten Demonstration am Samstag in Osnabrück nur knapp dreißig Leute einfanden, unter den Plakathaltern waren einige Kinder.

          „Da erstattet ein Provinzradikaler Anzeige“

          Die Berichterstattung der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ lässt sich allerdings auch missverstehen, vor allem ein Kommentar, der den Titel „Lügen erlaubt“ trägt. Den kann man nämlich so lesen, als unterstütze der Autor die Haltung Erhat Tokas, der meint, Dieter Nuhr verbreite Lügen über den Islam. Das jedoch sei mitnichten seine Absicht gewesen, sagte der Redakteur Rainer Lahmann-Lammert von der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Die Frage nach der Lüge hat Herr Toka aufgeworfen. Das Foto mit Toka und seinem Plakat „Nu(h)r Lügen“ stand ja groß über meinem Kommentar. Mit meinem Hinweis ,Lügen erlaubt‘ wollte ich deutlich machen, dass es im Kabarett und in der Satire nicht um die Frage nach der Wahrheit geht, sondern dass auch Überspitzungen oder Lügen erlaubt sein müssen. Keineswegs wollte ich Herrn Nuhr damit einer Lüge bezichtigen. Dazu hätte ich auch keinen Anlass gehabt.“

          Das Fazit von Dieter Nuhr, das er im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Ausgabe von Montag) zieht, ist eindeutig: „Ich betone immer wieder, wie traurig ich das finde, dass unter der Salafisten-Diskussion die Mehrheit der Muslime leiden muss, die mit Radikalen nichts am Hut hat. Tokas Ziel war die Skandalisierung - und die Medien haben ihm den Gefallen getan. Die Anzeige bezieht sich auf ein uraltes Video, das illegal im Netz stand. Da erstattet ein Provinzradikaler Anzeige, und die Medien springen sofort drauf an. Die Taktik der Salafisten ist ja, Muslime und Nichtmuslime gegeneinander aufzubringen. Da können sie sich auf unsere Presse immer verlassen. Ich treibe keine Hetze gegen den Islam, ich mache mich lustig über Radikale und Attentäter.“

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