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Besuch beim Kölner Domradio : Die Sendungsbewussten

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Im Schatten des Doms: Das Domradio residiert um die Ecke, in bester Lage. Der WDR sendet nur aus der zweiten Reihe Bild: Edgar Schoepal

Das Kölner Domradio ist vielleicht die wichtigste Hinterlassenschaft des emeritierten Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner. Hier zeigen Katholiken, wie lebendig Kirche sein kann. Ein Redaktionsbesuch.

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          Na bitte, es geht doch! Für den überschaubaren Etat von drei Millionen Euro im Jahr - kein Cent davon aus dem Rundfunkbeitrag - ein tägliches Radiovollprogramm von solcher Reflexionstiefe und Aktualität anzubieten, dass man sich hinter kaum einem anderen Sender verstecken muss. Der Wortanteil im Programm des Kölner Domradios mit seinen vierzehn Angestellten, vier Volontären und einer Reihe von festen Freien beträgt über fünfzig Prozent, eine enorme Zahl, und nur ein kleiner Teil davon schlägt für Gottesdienste oder Ratgebersendungen zu Buche.

          Auch wenn beim Sendestart vor vierzehn Jahren das Herumnebeln mit Weihrauch den Feueralarm auslöste, hat die sozial-ethische Grundierung des Programms auf dem Boden der christlichen Lehre nichts mit katholischer Propaganda zu tun: „Wir sind nicht die Verkündigungsabteilung des Heiligen Vaters oder des Erzbistums“, betont der Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen, „sonst hießen wir Pressestelle. Wir sind Journalisten.“

          Domgeläut in der Konferenz

          Verstecken müssen sie sich nicht - und tun es auch nicht, ganz im Gegenteil: Der kleine, feine und fast schon subversiv katholische Sender im Eigentum des Kölner Erzbistums - als Träger und Kontrolleur fungiert das Bildungswerk der Erzdiözese Köln - residiert in absoluter Traumlage. Er belegt die oberen Etagen des von Fritz Schaller Anfang der fünfziger Jahre für die Bank für Gemeinwirtschaft erbauten Gebäudes, welches das Kölner Erzbistum 1991 zum Kaufpreis von 79 Millionen Euro erworben hat (um Steuertricksereien beim Kauf ist jüngst ein kleiner Streit entbrannt). Das denkmalgeschützte Bauwerk beherbergt unter anderem das Domforum, es liegt direkt vis-à-vis der Westfassade des Kölner Doms.

          Das ist wahrhaft erste Reihe; das verschachtelte Hauptgebäude des WDR, dessen Etat 466 Mal höher ist, befindet sich zwar in Dosentelefonentfernung - man könnte sich durch die geöffneten Fenster mit Maus-Radiergummis oder Hostien bewerfen -, aber eben doch erst dahinter. Täglich dürften sich Big Shots des alles dominierenden Landessenders darüber ärgern, statt standesgemäß freie Sicht auf den erhabenen Dom zu haben, nur die Rückseite des Domradio-Gebäudes zu sehen. Und was man anderswo für einen Standortnachteil hielte, dass nämlich das mächtige Domgeläut gern mitten in die Konferenz hineinbimmelt, stört dort selbstredend niemanden, ist es doch wie ein kleiner Extrasegen vom obersten Dienstherrn.

          Kreuzgangübersichtlich ist es im Sender mit dem Draht nach oben: Alle Räume gehen von einem Flur ab, der um einen vollverglasten Innenhof herumführt. Es gibt ein Hauptstudio, natürlich mit Domblick, sowie ein zweites Studio für Vorproduktionen und den Notfall. Dazwischen liegt das Sanctum Sanctorum des Senders, das Newsdesk, etwas abseits („die schlafen gern etwas länger“) die Liturgie-Redaktion mit Katechismus auf dem Tisch, genannt „Kapelle“.

          Der Kirchenzeitungsvertreter erntet nur ein Hüsteln

          Man beginnt den Tag in der Domradio-Redaktion nicht mit Gebeten, sondern mit Scherzen auf dem Flur. Überhaupt geht es so ironisch und lebenszugewandt zu im Domkloster 3, dass man sich fragt, was Joachim Kardinal Meisner davon wohl hielte, der nach einem Vierteljahrhundert eiserner Rom-Treue (gemeint ist das präfranziskanische Rom) kürzlich in den Ruhestand getretene Kölner Erzbischof, der den Sender immerhin gegründet hat. „Die schönsten Sachen kann man - wie in jeder Redaktion - leider nicht senden“, sagt der Chef augenzwinkernd.

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