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Krimi „Katharina Tempel“ : Das Kind muss alles mit ansehen

  • -Aktualisiert am

Spielen kein Traumpaar: Franziska Hartmann und Florian Stetter Bild: © ZDF/Georges Pauly

Die neue Krimireihe um die Kommissarin „Katharina Tempel“ ist viel besser, als es auf den ersten Metern aussieht. Denn hier verkehrt sich auf einmal alles ins Gegenteil. Das ist sehenswert.

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          Mit den Krimis ist es in Deutschland wie mit den Autos: Es rollen sehr viele über das Fließband, sie sind äußerst solide, man weiß, was man tut, und weiß, was man hat. Aber richtige Hingucker sind dann doch selten. Die große Menge geht gerade mal als hübscher Gebrauchsgegenstand durch. Die einzige Besonderheit besteht darin, dass sich bislang noch keine Mitglieder der „Letzten Generation“ vor dem Fernseher festgeklebt haben. Die Mitglieder der „vorletzten Generation“ – der Begriff stammt von Lutz van der Horst, der sich in der jüngsten Ausgabe der „heute show“ in Protestkunst versuchte und ein Päckchen trockenes Fertigsuppenpulver vor die Glasscheibe eines Fotos auf der Art Cologne warf – stimmen mit der Fernbedienung ab.

          Zunächst wirkt alles ganz bieder

          Was lässt sich also über die erste Folge der neuen Krimireihe „Katharina Tempel“ schreiben, die ZDF und Arte gemeinsam erarbeitet haben? Deutsche Ingenieurskunst mit zeitgemäßem, hier und da dezent wokem Anstrich? „Was wir verbergen“ hält man jedenfalls lange für eine jener deutschen Polizeiduo-Geschichten, die aus der Masse nicht wirklich hervorstechen – nicht einmal durch die unruhige Handkamera des Dänen Morten Søborg, der immerhin schon an der Oscar-prämierten Produktion „In einer besseren Welt“ mitgewirkt hat, oder durch die eingeschnittenen Bilder diverser Überwachungskameras.

          Aber da irrt man sich. Dieser Krimi mit Franziska Hartmann in der Hauptrolle, einer ausdrucksstarken Schauspielerin, die gerade erst im Schulddrama „Kalt“ als gebrochene Kindergärtnerin zu sehen war und in der neuen ZDF-Serie „Neuland“ eine Berufssoldatin spielt, hat mehr PS unter der Haube, als man auf den ersten Blick meint. Auf den ersten Blick meint man: was für ein austauschbares, aufgesetzt lächelndes Team. Die freundliche Kriminalkommissarin Katharina Tempel, verheiratet mit dem Langeweiler Volker Tempel (Florian Stetter), der sich als Pressesprecher der Hamburger Polizei auf alten Lorbeeren ausruht, bringt durch einen Abteilungswechsel Schwung in ihr Leben. Sie wechselt von einem Schreibtischjob zurück in die Hamburger Mordkommission – wo wir sie auch schon zweimal in der Serie „Helen Dorn“ erlebt haben.

          Am Arbeitsplatz stimmen die Umgangsformen: Hanife Sylejmani, Franziska Hartmann und Stephan Szász (von links).
          Am Arbeitsplatz stimmen die Umgangsformen: Hanife Sylejmani, Franziska Hartmann und Stephan Szász (von links). : Bild: © ZDF/Georges Pauly

          Und nun müssen wir heftig spoilern, weil sich der Hammer dieser Geschichte von Elke Rössler (Drehbuch) sonst nicht gebührend hervorheben lässt: Die gut gelaunte, mit einem allseits bewunderten Ehemann verheiratete Tempel ist nämlich ebenso wenig gut gelaunt, wie ihr Ehemann bewundernswert wäre. Die beiden treten zwar auch in der Schule ihres Sohnes Linus (Michel Hoppe) auf wie ein charmantes Dreamteam. Aber der Anlass – Linus hat „irgendwie Mist gebaut“ – nimmt das Ehedrama vorweg, das sich bei den Tempels hinter verschlossenen Türen abspielt.

          Die Stimmung kippt

          „Was wir verbergen“ wird plötzlich zum Film über Gewalt in der Ehe. Eine Küchenszene, bei der Satz für Satz die Stimmung von Volker kippt und Katharinas Gesicht versteinert und ängstlich wird, verschlägt den Zuschauern, die bis dahin einen Allerweltskrimi zu sehen meinten, den Atem. Linus sieht alles mit großen Kinderaugen vom Flur aus mit an.

          Und mit dieser Szene ergibt alles Vorhergesehene auf einmal Sinn, von den oberflächlichen Floskeln, mit denen die Figur der Kommissarin eingeführt wurde, über die Wohnung, die sie besichtigte und unbedingt haben wollte, bis zum Fall, den sie gemeinsam mit ihrem sensiblen Chef Georg König (Stephan Szász), ihrer Kollegin Dela Tahiri (Hanife Sylejmani) und Staatsanwältin Golda Hopkins (Davina Donaldson) zu lösen versucht.

          Denn auch der dreht sich von einer eher mittelspannenden, um eine radikale Gruppe von Abtreibungsgegnern gestrickten Geschichte parallel in Richtung häuslicher Gewalt. Fast will man den Anfang noch einmal sehen – weil es eben nicht von ungefähr kommt, dass die Figuren in der ersten Filmhälfte so wirken, als seien die Schauspieler im Kopf irgendwo anders, aber nicht in ihren Rollen.

          Katharina Tempel spielt eine Rolle: die der glücklichen Ehefrau. Volker Tempel spielt eine Rolle: die des Strahlemanngatten. Und auch Ulla (Christiane von Poelnitz) und Hans (Jörg Pose) Leitermann, zwei Ärzte, die eine Kinderwunschklinik haben und von einem Unbekannten in ihrem Haus überfallen werden, spielen Rollen. Nur die Liebe, mit der sich die Prolife-Aktivistin Natalie (Alberta Freiin von Poelnitz) um ihren Bruder Sascha (Jonas Halbfas) kümmert, einen Jugendlichen mit Downsyndrom, wirkt bestechend echt.

          Am Ende will man nicht unbedingt wissen, wie es mit Katharina Tempel weitergehen wird. Aber man hat gleich zwei aufwühlende Ehedramen auf einmal gesehen.

          Was wir verbergen findet sich in der Mediathek von Arte.

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