Schicksal der Drehbuchautoren : Das Fernsehen macht seine Autoren klein
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Stolze Truppe: Regisseur Friedemann Fromm (links) posiert mit den Schauspielern Anna Loos, Martin Brambach und Burghart Klaußner bei einem Pressetermin zur ARD-Serie „Die Stadt und die Macht“. Die Drehbuchautoren bleiben unsichtbar. Bild: dpa
Auf „Die Stadt und die Macht“ ist die ARD stolz. Wieso hebt sie nicht hervor, wer hinter der Serie steckt? Nämlich Drehbuchautoren. Ihre Leistung wird verschwiegen und schlecht vergütet. Das muss sich ändern. Ein Gastbeitrag.
Während die deutsche Fernsehbranche lauthals nach guten Drehbüchern schreit und dabei deutsche Autoren im Vergleich zu amerikanischen kritisiert, zugleich stetig die Drehbuchhonorare einkürzt und die Bedingungen für Autoren verschlechtert, ist die ARD-Serie „Die Stadt und die Macht“ an den Start gegangen - die Drehbuchautoren des neuen Vorzeigeprojekts versteckt man dabei allerdings im Keller. Ein Skandal. Mal wieder.
Ja, sie macht Lust auf einen Fernsehabend, die Präsentation der neuen Serie auf der ARD-Homepage. Gekonnte Trailer, ausführliche Interviews, ein Making-of. Es gibt berechtigte Hoffnung, dass es guten Drehbuchautoren gelungen ist, ein Erfolgsformat zu erschaffen. Mit „,Die Stadt und die Macht‘ geht das Erste neue Wege“, schreibt der ARD-Programmchef auf der Website. Der unbestritten großartige Regisseur Friedemann Fromm kommt in Interviews ausführlich zu Wort und erzählt uns all das, was mit Sicherheit während der Entwicklungs- und Bucharbeit im Kopf der Drehbuchautoren gewälzt wurde. Es ist die Rede von siebzig Drehtagen; Schauspieler, Redakteure und der Executive Producer der ARD fühlen sich bemüßigt, über die Qualität „ihrer“ Serie zu sprechen.
Keiner der stolzen Befragten erwähnt in all diesen Interviews die Arbeit der Ur-Kreativen, die siebenmal so lange gedauert hat wie der gesamte Dreh. Keiner der „Macher der Serie“ erwähnt, dass es andere waren, die aus einer Idee eine tragfähige Geschichte entwickelt und auf vierhundert Seiten zu einem drehfähigen Projekt ausgeschrieben haben.
Meckern und verstecken
Will man wissen, was sich diese anderen, die kreativen Ur-Köpfe der neuen Vorzeigeserie, beim Schreiben ebendieser gedacht haben, sucht man vergebens. In keinem der Interviews gibt es einen Kommentar, dass es überhaupt Autoren zu diesem Projekt gab, geschweige denn eine Nennung ihrer Namen. Nach diversen Klicks auf der Suche nach der Stabliste findet man sie endlich, die Autoren: Annette Simon, Christoph Fromm, Martin Behnke; nach einer Idee von Martin Rauhaus.
Halten sich die Autoren der Serie für unfotogen, so dass sie im Schatten bleiben wollen? Stottern sie und sind nicht in der Lage, Interviews zu führen? Ein Blick auf ihre Homepages zeigt, dass sie alle vorzeigbare Menschen sind, und die Telefonate mit diesen Kollegen beweisen, dass sie auch der flüssigen Sprachführung mächtig sind.
Es macht den Anschein, dass erfolgreiche Serien ganz ohne Drehbuchautoren entstehen. Nur schlechte Serien scheinen Drehbuchautoren zu haben. Ein typisch deutsches Phänomen: über Autoren meckern und sie im vermuteten Erfolgsfall verstecken. Warum hat man hierzulande solche Angst davor, Autoren beim Namen zu nennen? Ist es Futterneid am Erfolg? Ist es die Angst, sie angemessener für ihre Arbeit bezahlen zu müssen? Die Angst, ihnen wie in Amerika mehr Mitspracherecht an der kreativen Umsetzung ihrer Ideen zusprechen zu müssen? (Wobei das in Amerika wunderbar funktioniert, liebe Branchenleute, die nach Kreativen wie in Amerika schreien.)
Was bei dieser Art von Serienpräsentation entsteht, ist der Eindruck, dass eine Redaktion beim Untergang des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff eine Idee hatte, Geschichten dann quasi in der Luft lagen und ein Regisseur in einer kreativen Zaubershow in siebzig Drehtagen eine Welt und „glaubwürdige Charaktere“ erschuf. Von den zwei Jahren Arbeit der Autoren, die den Dreh überhaupt ermöglichten - keine Rede. Leider schließen sich die Berichterstattungen in der Presse dieser Darstellung an. Die „Süddeutsche Zeitung“ erwähnt ebenfalls keinen der Ur-Kreativen, dabei sollte man vermuten, dass Journalisten bei der Zaubershow einer Vorzeigeserie durchaus hinter die Kulissen zu blicken vermögen.
Hinter dem Zauber liegt naturgemäß harte Arbeit von Menschen, die schreiben können. Und das sind nicht Regisseure, Redakteure, Senderchefs und Executive Producers. Die wahren Zauberer der Geschichten sind und bleiben die Drehbuchautoren - auch wenn man vor Drehbeginn lieber eine Decke über ihren Käfig legt.
Es braucht angemessene Verträge
Der Verband Deutscher Drehbuchautoren kämpft seit langem für eine faire und angemessene Vergütung für Drehbücher, angefangen bei einem Inflationsausgleich, und um bessere Bedingungen für Autoren, ebenso für ein faires Urheberrechtsgesetz. Ebenso setzt sich der VDD massiv dafür ein, dass Drehbuchautoren gebührend genannt und dargestellt werden. Denn Autoren im Keller zu verstecken ist die klare Verweigerung von Erfolgsbeteiligung und Honorierung. Es ist die explizite Missachtung der Erfinder von Geschichten, die durch gute Arbeit die Erfolgsbasis für Film und Fernsehen schaffen.
Anscheinend wünschen sich genau die Leute in der Branche, die am lautesten nach guten Drehbuchautoren schreien, ein Wunschwesen des kreativen Schreiberlings: hochbegabt, unsichtbar, Quoten- und Grimme-Preis-verdächtig, bitte mit einem schlechten Honorar zufrieden und auf jeden Fall ohne den Anspruch, als kreativer Urheber mit der Idee irgendwie am Erfolg oder an den Lorbeeren beteiligt zu sein.
Wenn das nächste Mal Schreie nach guten Drehbuchautoren durch die Bundesrepublik gehen, dann, liebe Schreier, begleitet sie mit dem Ausrufen angemessener Verträge, Vergütung und Honorierung.
Serientrailer : „Die Stadt und die Macht“
Dinah Marte Golch ist Drehbuchautorin (unter anderem des „Tatorts“) und Vorstandsmitglied im Verband Deutscher Drehbuchautoren VDD.