ARD-Doku „Für immer jung“ : Von der Umkehrbarkeit des Alterns
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Epigenetiker Steve Horvath will das Altern rückgängig machen. Seine aktuellen Forschungsergebnisse scheinen vielversprechend zu sein. Bild: NDR/Torsten Lapp
Zu Besuch bei dem Epigenetiker Steve Horvath, der am fast ewigen Leben arbeitet: „Für immer jung“ ist eine sehenswerte Dokumentation aus der Reihe „Die Story im Ersten“.
„Mit jeder Minute, jeder Sekunde unseres Lebens altern wir. Die Lebensuhr scheint unaufhaltbar zu ticken, die Verfallserscheinungen werden immer offensichtlicher. Am Ende lächelt der Tod uns alle an. Das Einzige, was wir tun können, ist zurücklächeln. Oder geht da doch mehr?“
So beginnt eine erstaunliche Dokumentation von Tina Soliman aus der Reihe „Die Story im Ersten“. Ihr Film „Für immer jung – Machen Forscher einen Menschheitstraum wahr?“ fragt nach dem Geheimnis der Unsterblichkeit und scheint es tatsächlich auch zu lüften.
Protagonist ist der in Frankfurt geborene Wissenschaftler Steve Horvath. Als Genetiker und Biostatistiker forscht er im kalifornischen Los Angeles daran, wie sich unser Körper verjüngen und unser Leben dadurch verlängern lässt.
Das Ticken der Uhr verlangsamen
„Der Tod ist mein Feind“, sagt Horvath, der eine bahnbrechende Entdeckung gemacht hat: In unseren Zellen tickt eine molekulare Uhr, die sogenannte „Horvathsche Lebensuhr“. Läuft sie schneller, sterben wir früher, läuft sie langsamer, leben wir länger.
So einfach, so gut – mag man denken. Aber selbstverständlich lässt sich in der Praxis nicht bloß ein genetischer Hebel umlegen, um unser Alter zurückzusetzen. Der Wissenschaftler zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass seine Forschungen einen Durchbruch liefern: „Ich denke, es wird viel leichter sein, das Ticken der Uhr zu verlangsamen.“ Den Schlüssel dazu vermutet er in der Regeneration und Stärkung unseres Immunsystems.

Trailer : „Für immer jung“
Tina Solimans Dokumentation begleitet den Epigenetiker über einen Zeitraum von zwei Jahren. Epigenetik ist ein Forschungsbereich, der zum Beispiel untersucht, wie sich etwa Stress, Ernährung oder individuelle Verhaltensweisen auf unsere Gene auswirken. In den Worten Horvaths: „Die Welt fließt sozusagen durch uns hindurch.“
Nebenwirkungen und ethische Fragen
Dass viel Bewegung und gesunde Ernährung dabei einen entscheidenden Einfluss auf Lebenserwartung und Altern haben, dem scheinen die aktuellen Forschungsergebnisse des Wissenschaftlers jedoch zu widersprechen: „Es gibt natürlich den traditionellen Ansatz, der heißt, mache Sport, bewege dich, esse Gemüse und all das. Dieser Ansatz, den jeder verfolgen sollte – ich verfolge den –, der hat leider keinen großen Effekt.“
Die Doku zeigt, dass es epigenetisch mehr braucht, um unser Altern rückgängig zu machen – regelmäßige Spritzen mit einem Verjüngungscocktail zum Beispiel. Den injiziert sich aktuell eine Handvoll freiwilliger Tester selbst, unter Horvaths Anleitung. Einer der Probanden ist der 58 Jahre alte Unternehmer Paul Hynek. Über mehrere Monate spritzt er sich den Wirkstoffcocktail, der sein Immunsystem regenerieren soll. Das erstaunliche Ergebnis: Horvaths anschließender Messung nach wurde Paul epigenetisch tatsächlich verjüngt: „Er ist zwei Jahre jünger geworden, nur in ein paar Monaten!“
Was durch den Film außerdem deutlich wird: In den Vereinigten Staaten sind solche Experimente anscheinend wesentlich einfacher zu realisieren; einer der Gründe, warum Horvath hier forscht. Ethische Fragen stellen sich dennoch: Welche Nebenwirkungen, welche Spätfolgen könnten die Experimente und zukünftige Verjüngungscocktails mit sich bringen? Was, wenn längeres Leben irgendwann zu einer Ware nur für Wohlhabende wird? Außerdem: Ist es überhaupt gut, wenn sich unsere Lebenserwartung drastisch erhöht? Verliert das Leben dann nicht einen gewissen Reiz der Endlichkeit? Oder, um es mit Steve Jobs zu formulieren, ist der Tod nicht die „wahrscheinlich beste Erfindung des Lebens“?
Auch Google forscht an der Unsterblichkeit
Nicht nur Horvath stellt den alten Glaubenssatz von der Unumkehrbarkeit des Alterns in Frage. „Start-ups der Unsterblichkeitsindustrie schießen wie Pilze aus dem Boden“, das zeigt der Film. Beispielhaft dafür ist Googles „Calico“ („California Life Company“). Hier gelingt den Doku-Machern ein seltener Einblick hinter ansonsten verschlossene Türen. Milliardenbeträge hat der Google-Mutterkonzern „Alphabet“ bereits in den neuen Forschungszweig investiert; Lebensverlängerung scheint also auch für den Tech-Riesen ein Feld mit großem Zukunftspotential zu sein.
Die Dokumentation jedenfalls lässt keinen Zweifel daran, dass wir alle – geht es nach Steve Horvath und seinen Kolleginnen und Kollegen – bald wesentlich älter werden. Vielleicht 150 oder sogar 500 Jahre!? Wer da keine Angst bekommt und sich einmal mit der eigenen (Un)Sterblichkeit auseinandersetzen will, dem sei Tina Solimans Film ausdrücklich empfohlen. Oder in den provokanten Worten Horvaths: „Ein Mensch sollte frei sein, so lange zu leben, wie er möchte.“
Die Story im Ersten: Für immer jung – Machen Forscher einen Menschheitstraum wahr? läuft an diesem Montagabend um 22.45 Uhr im Ersten.