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Deutscher Fernsehpreis : Kein Land in Sicht

Nico Hofmann, Produzent der preisgekrönten ZDF-Produktion „Unsere Mütter, unsere Väter“, am gestrigen Abend im Kölner Coloneum. Bild: dpa

Beim Deutschen Fernsehpreis war die Stimmung auf dem Gefrierpunkt. Das lag nicht nur an der Moderation von Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher. Zwar gab es Grund zu feiern, aber alles wirkte wenig souverän und deshalb lau.

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          Nehmen wir an, jemand käme von der Verleihung der Emmys in Amerika zum Deutschen Fernsehpreis. Er würde, so er die ersten Minuten überstanden hätte, nicht darauf kommen, dass es hier um dieselbe Sache geht – außergewöhnliches Fernsehen auszuzeichnen. Der Besucher aus Amerika würde auf die Datumsanzeige seiner Uhr schauen, um sich zu vergewissern, dass wir nicht im Jahr 1973 sind. Und er würde seinen Nachbarn fragen, wie viele Programme es eigentlich in dieser Fernsehlandschaft gibt. Für die äußere Mongolei, würde er sich denken, ist das eigentlich gar nicht schlecht. Garagenfernsehen in der Dritten Welt.

          Susanne Wolff, geehrt in der Kategorie „Beste Schauspielerin“, bei der Preisverleihung.
          Susanne Wolff, geehrt in der Kategorie „Beste Schauspielerin“, bei der Preisverleihung. : Bild: dpa
          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Man könnte den Deutschen Fernsehpreis anlässlich der Verleihung am Mittwochabend niederschreiben. So wie Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher die Veranstaltung wegmoderiert haben. Das war recht pointenfrei, was bei dem ohnehin uneuphorischen Fernsehpreis-Publikum im Studio zu betretenem, fast quälendem Schweigen führte. Wie glänzend hatten das vor vier Jahren Anke Engelke und Bastian Pastewka gemacht, als Sat.1 das letzte Mal die Preisgala ausrichtete.

          Auch die vom ZDF inszenierte Prämierung des Jahrgangs 2012 mit Oliver Welke und Olaf Schubert war sehenswert und sendefähig. Das wird man von der jetzigen, abermals von Sat.1 verantworteten Gala nicht behaupten dürfen. Dass deren Aufzeichnung erst morgen um 22.15 Uhr gezeigt wird, dürfte für alle Beteiligten den geringsten Schaden anrichten.

          Wie eine Lesestunde im Katasteramt

          Es braucht es eine gewisse Souveränität, um ein solches Preisfest so auszurichten, dass die Zuschauer und die Branchenleute und die Geehrten etwas davon haben. Daran scheint es bei Sat.1 zu mangeln. Da reden die Laudatoren von Hingabe, Kreativität und Besessenheit, doch es läuft ab wie eine Lesestunde im Katasteramt. Henning Baum spannte in seiner Vorrede zur Kategorie „Beste Schauspielerin“ einen großen Bogen, ging aber fast unter – fast unter ging auch, dass Susanne Wolff den Preis für ihre Rolle in dem Film „Mobbing“ bekam. Später, als Caroline Peters die Nominierten in der Kategorie „Bester Schauspieler“ vorstellte, war es nicht anders. Persönlich trat sie nur kurz ans Mikro, dafür erschien sie mit mehr Text eingeblendet auf dem Studio-Bildschirm. Den Preis gewann Matthias Brandt, an dessen zahlreichen herausragenden Rollen im Augenblick tatsächlich kein Weg vorbei führt.

          Matthias Brandt, geehrt in der Kategorie „Bester Schauspieler“, mit der Trophäe in Händen.
          Matthias Brandt, geehrt in der Kategorie „Bester Schauspieler“, mit der Trophäe in Händen. : Bild: dpa

          In der fehlenden Liebe zum Detail zeigt sich der Zustand der hiesigen Branche ganz gut. Man sieht, was sie kann und was nicht. Reportage, Dokumentation, Information – das kann sie. Show – kann sie mit Abstrichen auch (es gewann „Got to Dance“ von Sat.1). Comedy – schon weniger (der dem Publikum weitgehend unbekannte Gewinner ist die Show „Götter wie wir“ bei ZDFkultur). Fernsehfilm – eine Paradedisziplin, in welcher „Operation Zucker“ gewann, ein Stück, das von verschleppten Kindern handelt, die als Sexsklaven gehandelt werden, und nicht nur ob seines ebenso bedeutenden wie erschütternden Themas gewann.

          Preis für die Doku-Porno

          Mehrteiler – eine deutsche Spezialität, bei der in diesem Jahr der ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ gewinnen musste und auch gewann. Wobei zu bemerken ist, dass der Produzent Nico Hofmann mit Blick auf die Kritik, die das Stück in Polen erfahren hat, eigens darauf hinwies, es sei darum gegangen „den Finger in die Wunde deutscher Schuld zu legen“, um nichts sonst.

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