„Irgendwas bleibt immer“ im ZDF : Trau, schau, wen du in dein Leben lässt
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Wer ist der neue Mann an ihrer Seite? Nina (Lisa Maria Potthoff) wird skeptisch. Bild: ZDF und Jacqueline Krause-Burber
Manuel Rubey, Lisa Maria Potthoff und Justus von Dohnányi: Das ZDF zeigt einen hervorragend besetzten Verdachtsthriller. Doch „Irgendwas bleibt immer“ fehlt es im entscheidenden Punkt an Cleverness.
Wann immer ein Österreicher gebraucht wird, dem man alles zutrauen würde, eine Popstar-Aura („Falco“) ebenso wie das Bewohnen eines veritablen Münchhausen-Lügenschlosses („Tatort: Der Mann, der lügt“), abstrusen Drogenmissbrauch und Hochstapelei („Im Knast“), die Rolle eines Inquisitors auf Schürzenjagd („Braunschlag“) oder gar inzestuöses Austro-Mafia-Patentum („Altes Geld“), dann ist stets Manuel Rubey zur Stelle, der Wiener Charmeur mit dem feingezeichneten Bübchen-Gesicht, der noch in der kleinsten Geste vollendete Manieren mit grandioser Blasiertheit zu verbinden versteht. Niemand sonst verkörpert die österreichische Dekadenz mit so viel Noblesse und Engelhaftigkeit. Man kann Rubeys Figuren daher schlechterdings nicht böse sein, was immer sie wieder ausgefressen haben. Diesmal hat der Landschaftsarchitekt Mark seine Freundin um die Ecke gebracht: „geschubst“ und „unglücklich gestürzt“, beichtet Rubey mit mitleiderregendem Blick; von wuchtigen Schlägen mit einem schweren Lampenfuß ist hingegen in einem Zeitungsartikel die Rede.
Auch die Ärztin Nina Dormer (Lisa Maria Potthoff) kann dem gutaussehenden, sichtlich reuevollen Burschen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat, nicht lange böse sein, zumal die von ihrem Ex-Ehemann (Christian Heiner Wolf) lange Hintergangene Ehrlichkeit zu schätzen weiß: „Jeder hat eine zweite Chance verdient.“ Dass die Ehrlichkeit hier leicht verzögert einsetzte – zunächst hatte Mark seine Haftstrafe verschwiegen und einen längeren Singapur-Aufenthalt vorgeflunkert –, fällt nicht ins Gewicht. Im Gegenteil: Nina lässt Mark, der sich ihr gegenüber so sensibel geöffnet hat, nun erst recht bei sich und ihren Kindern einziehen, um ihm die Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Nun ist aber auch Nachbar Andreas (Justus von Dohnányi) schamlos verschossen in die attraktive Ärztin: „Ein bisschen fühle ich mich schon verantwortlich, seit du allein bist.“ Er wird regelrecht aufgefressen von Eifersucht und Misstrauen. Mit Andreas’ schnippischer Ehefrau (Ulrike Krumbiegel) wiederum versteht sich der Neue auffällig gut. Damit ist die Szene bereitet für das folgende Kammerspiel, das nach einer unerwartet einbrechenden Bluttat im wilden Zickzack zwischen den Polen Vertrauen und Verdacht verläuft. Während der Film sich damit vom leisen Beziehungsstück zum Thriller im Hitchcock-Format wandelt, sieht sich die Protagonistin bald vor die Frage gestellt, ob es zu blauäugig war, einen verurteilten Totschläger ins Haus zu holen. Oder gilt es gerade jetzt, der vorurteilsbehafteten Ablehnung („Einmal Täter, immer Täter“) entgegenzutreten?
Sofort drängelt wieder die vorlaute Handlung ins Bild
Klassisch, aber eigentlich nicht nötig ist es, die Erklärungsmöglichkeiten durch eine Kurznachricht, die nur wenigen Personen bekannte Informationen enthält, auf zwei Varianten des Geschehens radikal zu begrenzen. Weil sich im Drehbuch von Claudia Kaufmann aber sowohl die Verdachtsmomente (viele kleine Unwahrheiten) als auch die entlastenden Einsichten für beide Varianten in etwa die Waage halten und Potthoff die in ihren Zweifeln hin- und hergerissene, mehr und mehr die Contenance verlierende Heldin so nuancenreich wie glaubhaft spielt, zieht die Spannung bis ins letzte Drittel des Films auch tatsächlich immer weiter an. Und doch wird das Erlebnis leider geschwächt durch arg eindimensionale Figurencharakterisierungen – zu den beiden um Ninas Gunst rivalisierenden, zwiegesichtigen männlichen Protagonisten kommt noch der plump grobschlächtige Knastkumpel Viktor (Wolfgang Haas) –, durch floskelhafte Dialoge („Das ist vielleicht jetzt nicht der richtige Moment. Aber du weißt ja, was ich für dich empfinde.“ „Ich glaube, es ist besser, du gehst jetzt“) und durch eine sich recht früh verratende, enttäuschend schlichte Auflösung.
Die Regie von Thomas Kronthaler verzichtet zudem auf Anklänge ans Genre und überhaupt auf alles Verspielte. Er inszeniert auf nüchterne Art modern. Allzu einfallsreich ist es freilich nicht, von der Helligkeit (Arztzimmer; sonnig-unbeschwerten Gartenimpressionen) über das rötliche Halbdunkel der Romantik ins bläuliche Wolkenzwielicht nächtlicher Zweifel voranzuschreiten, um schließlich in der Finsternis blutiger Wald-Szenen zu enden. Dem Atmosphärischen, das doch jeden Thriller erst ausmacht, kommt hier einfach nicht die genügende Aufmerksamkeit zu, auch weil in jedem intensiven Moment sofort wieder die vorlaute Handlung ins Bild drängelt. Um dermaßen im Vordergrund zu stehen, fehlt es ihr allerdings an Cleverness, da helfen auch die vielen Erklärungen nicht, die am Ende den lampenfußschweren Film nahezu unter sich begraben. Rubey, Potthoff und Dohnányi zuzusehen lohnt aber selbst unter solchen Bedingungen.
Irgendwas bleibt immer, an diesem Montag, 20.15 Uhr, im ZDF