„Tatort“ unter Tänzern : Hier gibt es Tango, bis die Polizei kommt
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Kesse Sohle: Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) wagt ein Tänzchen mit Boerne (Jan Josef Liefers). Kommissar Thiel (Axel Prahl) wird Zeuge. Bild: WDR/Martin Menke
In Münster beschäftigt das „Tatort“-Duo ein Mord unter Leistungstänzern. Für Boerne und Thiel ist das Anlass genug, ihren liebsten Standardtanz einzuüben. Der wäre? Witzelnde Ermittlungen in Trippelschritten.
Tanzen ist kein Spaß“ – schon gar nicht im „Leistungsschwofer“-Milieu der Tanzsportgemeinschaft Münster, wie Professor Boerne (Jan Josef Liefers) bemerkt. Hart im Nehmen müssen die Sportler sein, Make-upschichten auftragen, unter denen die natürliche Hautfarbe kaum noch zu erahnen ist, offene Blasen, blutende Füße und deformierte Zehen ertragen und dabei dauerlächeln, bis die Kiefermuskeln schmerzen. Klaglos hinzunehmen gilt es auch die Schinderei des Tanztrainers Andreas Roth (Max von Pufendorf) und die Bösartigkeiten wegzustecken, mit denen die getriebenen Tänzer einander bei äußerer Harmonie der Körper verbal auf die Füße treten. Der Ehrgeiz treibt seltsame Blüten. Wer die Choreographie nicht fix beherrscht, landet auf der Ersatzbank und schaut dem perfiden Treiben auf diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten nur noch zu. Für den Zuschauer dagegen haben gerade die Zänkereien Schauwert, und die Kamera von Clemens Messow fängt sie geschickt ein.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Erfolg der RTL-Laientänzershow „Let’s dance“ auch auf den öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm übergreifen würde. Jetzt sehen wir die Weltpremiere im Spaßmacher-„Tatort“ aus Münster. Und da gehört sie auch hin. Das Milieu jedenfalls ist gut getroffen, und die üblichen Frotzeleien sorgen für ein bisschen weniger Verbissenheit und mehr Unterhaltsamkeit (Buch Jan Hinter, Regie Thomas Jauch). Zu Beginn aber bekommt Boernes Assistentin „Alberich“ (Christine Urspruch) erst einmal ein Bundesverdienstkreuz für gesellschaftliches Engagement angeheftet, im Beisein ihres Chefs und der Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann). Das ist Anlass genug für die klassischen süffisanten Bemerkungen Boernes.
Erotische Ausstrahlung? Fehlanzeige!
Doch der Professor steht allzu bald selbst wieder im Mittelpunkt, als unfreiwilliger Tangotanzstundenpartner der Staatsanwältin, deren hohe Hacken mehr als einmal den polierten Schuhen des Gerichtsmediziners gefährlich nahe kommen. Apropos nahe kommen: Von der erotischen Ausstrahlung des Tanzes kann hier eher keine Rede sein. „Klassischer Tatbestand der Nötigung“, kommentiert Boerne die zwingende Haltung seiner führungsstarken Partnerin, während Thiel (Axel Prahl) mit Feixen beschäftigt ist und damit, seinen Vater (Claus D. Clausnitzer) vom Genuss allzu vieler Fliegenpilze abzuhalten.
Boerne-Fans werden ganz zum Schluss dieser Folge, bei einem heimlich in der Tanzschule aufgenommenen Video, noch zu uneingeschränktem Vergnügen kommen und alle anderen Zuschauer ein schönes Beispiel der Selbstironie sehen, zu der Jan Josef Liefers fähig ist. Der Präsident des Tanzsportvereins Münster, der Orthopäde Dr. Steul (Thomas Heinze), wirkt in der Zwischenzeit mit seinem Eintänzerbärtchen zwar wie die perfekte Besetzung eines schleimigen Frauenbezirzers, aber gleichzeitig so hölzern, als habe er beidseitigen Kniebeugeschaden. „Ein Fuß kommt selten allein“ ist bei alldem nicht nur ein Fall für Knie-, sondern auch für Fußfetischisten. Fußwitze werden im Dutzend billiger gereicht und spielen bei der schleppenden Aufklärung des Falles tatsächlich eine gewisse Rolle. Da im Wolbecker Wald nicht nur das Skelett einer Tänzerin (erkennbar an den Fußknochendeformationen) gefunden wird, sondern auch ein einzelnes Fußskelett eines Mannes, führt der Weg schnurstracks getänzelt zum stinkreichen Orthopäden Dr. Steul.
Von dort aus wird die Formation der Lateiner seziert, die auf den Aufstieg in die Bundesliga hofft. Trainer Roth scheint noch verbissener als sonstige Quäler. Liegt es vielleicht an seinem maroden Knie (schon wieder ein Knieproblem) und dem Ende seiner aktiven Laufbahn? Zeit für allerlei Alltagsphilosophie ist immer („Jeder Fuß hat, wenn ich das so sagen darf, sein eigenes Gesicht“), und auch der Rest ist Münsteraner „Tatort“. „Geht es vielleicht mit etwas weniger Klamauk?“, fragt Thiel. „Dann müssen Sie sich einen anderen Rechtsmediziner suchen“, antwortet Boerne.