
Streit um Rundfunkbeitrag : Unterscheidet euch!
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Der öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Kritik: Sachsen-Anhalt stellt sich gegen eine Beitragserhöhung. Bild: Picture-Alliance
Wie rettet man die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen vor der AfD? Statt den Sendern das Geld zu verweigern, sollte besser darüber debattiert werden, wie sie ihre Kernaufgaben erfüllen können.
Der lebhaften Debatte um die Beitragserhöhung ist zu verdanken, dass die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den vergangenen Tagen fast schon die Form eines Aufzählreims angenommen hat. Zu viele Sender, zu viele Wiederholungen, zu hohe Gehälter, zu hohe Pensionen, zu altmodisch, zu analog, zu wenig Osten: Das sind nur die beliebtesten der Vorwürfe gegen die Anstalten. Sie sind weder besonders neu noch unangebracht. Aber schon gar nicht sind sie notwendigerweise Ausdruck einer bestimmten politischen Ideologie.
Dass das System dringend reformbedürftig ist, darüber diskutierten Medienpolitiker schon, als viele Abgeordnete der AfD noch nach dem Sandmännchen ins Bett mussten. Insofern kann man all jenen, die sich ihre Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht deshalb verkneifen wollen, weil sie von rechts außen gerade besonders laut und grell ertönt, nur zustimmen. Man kann diese Kritik nicht jenen überlassen, die es für eine Lösung der Probleme halten, das ganze System abzuschaffen. Wer behauptet, seine Einwände aus der gesellschaftlichen Mitte zu artikulieren, sollte dann aber auch darauf verzichten, die dumpfen Parolen gegen einen linksgrünen Staatsfunk zu übernehmen und zu unterstellen, mit dem ganzen Geld würden am Ende doch nur teure Gendersternchen bezahlt. Oder gar, wie es aus der CDU-Fraktion auch schon öffentlich zu hören war, die Sender als „Indoktrinationsplattformen“ zu bezeichnen.
Was derzeit in der Debatte um den abenteuerlichen Stunt der Regierung Sachsen-Anhalts zu beobachten ist, ist das Gegenteil einer Distanzierung vom populistischen Totalangriff der AfD. Das zeigt sich nicht nur in billigen Forderungen nach der Verringerung der Intendantengehälter, die bei einem Budget von jährlich acht Milliarden Euro kaum ins Gewicht fallen. Es zeigt sich auch in der Rhetorik, für die Eskalation der Debatte ein fieses linkes Manöver verantwortlich zu machen: Weil die Fraktion der Linken hinterrücks ihre Ablehnung zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags überdacht habe, so stellten es einige Politiker und Kommentatoren dar, stünden die wackeren CDU-Abgeordneten mit ihren berechtigten Einwänden plötzlich ganz allein neben den Schmuddelkindern der AfD. Dabei hat sich Ministerpräsident Reiner Haseloff vor allem selbst eine Falle gestellt, als er, wie alle anderen 15 Landeschefs und -chefinnen, den Staatsvertrag unterschrieben und anschließend irgendwie vergessen hatte, seiner Fraktion zu erklären, dass sie ihm üblicherweise auch zustimmen müsse.
Seine Amts- und Parteikollegen in anderen Bundesländern haben das mühelos geschafft, obwohl auch sie nicht immer allzu große Sympathien für die Öffentlich-Rechtlichen haben. Nur waren ihnen zwei Dinge sehr klar: dass es zum Leben eines Parlamentariers gehört, sich gelegentlich an die Koalitionsdisziplin zu halten, erst recht, wenn sich diese Koalition als Bollwerk gegen rechts versteht; und dass die Ablehnung der Beitragserhöhung ein völlig ungeeignetes Mittel ist, um die Sender zu reformieren – in etwa so sinnvoll, wie es der Plan wäre, die Verkehrswende zu beschleunigen, indem man die Straßen verkommen lässt. Die Ratifizierung solcher Staatsverträge ist normalerweise eher Formsache, dass sie überhaupt vorgesehen ist, ist in diesem Fall ohnehin fast widersinnig, weil dadurch die Staatsferne, die man durch die Einrichtung der Kef, der unabhängigen „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“, ja gerade erreichen will, wieder torpediert wird.
Reform auf Sparflamme?
Wenn man aber den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu der Institution machen will, die er sein soll, zum Garanten für demokratische Bildung und unabhängigen Journalismus, ist es nicht hilfreich, mit dem rechten Ressentiment zu flirten. Das System zu reformieren heißt eben nicht, dass man ihm dazu das Geld verweigern muss. Der Vorschlag, die Steigerung des Rundfunkbeitrags einfach der Inflationsrate anzupassen, das sogenannte Indexmodell, würde nicht nur die regelmäßige Großdebatte um ein paar Cent mehr ersparen, sondern auch ARD und ZDF dazu zwingen, vernünftig wirtschaften zu lernen. Und statt der Kef könnte man dann vielleicht eine unabhängige Kommission zur Ermittlung eines vernünftigen Programms einsetzen. Dessen Reform nämlich wäre dringender als die Suche nach Einsparpotentialen und Strukturdefiziten.
Sicher würde es der Akzeptanz der Finanzierung nicht schaden, wenn der ganze Apparat mit einem effizienten und vor allem transparenten Management betrieben würde, wenn es mehr Festanstellungen und weniger Tochterfirmen gäbe oder auch einen Sozialausgleich für die Beitragszahlungen. Und bestimmt würde die Demokratie auch überleben, wenn es weniger als 21 Fernseh-, 74 Radiosender und mehr als 100 Regionalbüros an Orten wie Traben-Trarbach oder Biberach an der Riß gäbe.
Noch wichtiger aber wäre es, eine Idee endlich in die Praxis umzusetzen, die Kern sämtlicher Reformvorschläge ist und die tatsächlich einen breiten Konsens findet: die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit kommerziellen Wettbewerbern zu verbessern. Um sich zu unterscheiden, reicht es nicht, auf teure Sport- und billige Schlagersendungen zu verzichten, wobei das sicher auch Ressourcen freisetzen würde. Aber vor allem bräuchte man mehr Haltung und politisches Bewusstsein – und dafür weniger von jenem institutionellen Populismus, der sich nicht von dem Irrglauben abbringen lässt, dass es irgendwie demokratisch sei, das Programm am Geschmack und den Meinungen der Mehrheit auszurichten.