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Viktoria Marinowa : Wer steckt hinter dem Mord an der bulgarischen Journalistin?

Viktoria Marinowa arbeitete im bulgarischen Ruse für den kleinen privaten Lokalsender TVN. Bild: AFP

Die Ermordung der Fernsehmoderatorin Viktoria Marinowa sorgt in ganz Europa für Besorgnis. Hat die Tat etwas mit Marinowas Arbeit zu tun? Sie befasste sich zuletzt mit veruntreuten EU-Geldern.

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          Noch ist unklar, ob die Ermordung der bulgarischen Fernsehjournalistin Viktoria Marinowa im Zusammenhang mit ihrer Arbeit stand, doch angesichts der Zustände in Bulgarien ist es nicht überraschend, dass dieser Verdacht sofort aufkam. Sollte er sich bestätigen, wäre es nach den Morden an Daphne Caruana Galizia aus Malta und Jan Kuciak aus der Slowakei schon der dritte Fall eines politischen Mordes an Journalisten in Europa innerhalb eines Jahres.

          Michael Martens
          Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

          Marinowas Leiche wurde, so die Darstellung der Behörden, am 6. Oktober von einem Passanten an einer Promenade in der bulgarischen Donaustadt Russe entdeckt. Da bei der Toten weder Ausweise noch Kreditkarten oder Mobiltelefone gefunden wurden, konnte sie nicht sofort identifiziert werden. Einige Details am Tatort wiesen jedoch nach Auskunft der Behörden darauf hin, dass es zu einem Kampf zwischen Marinowa und ihrem Mörder oder ihren Mördern gekommen war. Das Opfer war demnach durch Schläge auf den Kopf und Erwürgen umgebracht worden. Ein Schuh lag abseits des Tatorts, einige Kleidungsstücke fehlten. Zu der Frage, ob Marinowa auch vergewaltigt worden war, wie einige bulgarische Medien berichteten, äußerten sich die Behörden zunächst nicht. Man untersuche „verschiedene Theorien“ zu der Frage, ob es sich um eine unpolitische Gewalttat oder um einen Mord mit politischem Hintergrund handele. Hinweise auf mögliche Täter gab es zunächst nicht.

          Besorgnis löste das Verbrechen in ganz Europa aus. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, die OSZE und das Auswärtige Amt äußerten sich bestürzt. Es müsse geklärt werden, ob die Tat in Zusammenhang mit der Arbeit der Journalistin stehe.

          Der Verdacht, dass Marinowas Tod mit ihrer Arbeit in Zusammenhang steht, kommt nicht von ungefähr. Zwar war Marinowa in Bulgarien keine landesweit bekannte investigative Journalistin, doch hatte sie für ihren Lokalsender in Russe zuletzt offenbar auch über den möglichen Missbrauch von EU-Subventionen in Bulgarien berichtet. Subventionsbetrug mit europäischen Strukturfördermitteln kommt in Bulgarien in großem Stil vor, seit das Land 2007 der EU beitrat. Die Behörden sind oft unwillig oder unfähig, den Skandalen nachzugehen, so dass investigative Journalisten nicht selten ihre Aufgaben übernehmen und Verfehlungen an die Öffentlichkeit bringen, die andernfalls unbekannt geblieben wären. Allerdings wird die bulgarische Justiz oft selbst dann nicht tätig, wenn Journalisten durch ihre Recherchen einen hinreichenden Anfangsverdacht geliefert haben. Das Missliche auf dem Balkan ist nämlich nicht, dass Korruption unentdeckt bleibt, sondern dass dekuvrierte Fälle von Amtsmissbrauch oder anderem Betrug oft folgenlos bleiben. Es kommt weder zu Rücktritten, noch gibt es Ermittlungen oder gar Anklageerhebungen – und wenn doch, versanden die Prozesse meist. Rechtskräftige Verurteilungen sind vor allem dann selten, wenn die Verdächtigten Geld und Beziehungen haben.

          Bulgarische Medien berichten nun, dass Marinowa zuletzt zwei Journalisten interviewt hatte, einen Rumänen und einen Bulgaren, die Mitte September bei gemeinsamen Recherchen zu einem möglichen Fall von Subventionsbetrug in der Provinzstadt Pernik südlich von Sofia vorübergehend festgenommen worden waren. Bei ihrer Festnahme filmten die Journalisten laut Medienberichten gerade Personen, die in dem Verdacht des Subventionsbetrugs in der Baubranche stehen, bei dem Versuch, Beweismittel zu verbrennen. Aber noch ist vollkommen unklar, ob der Tod von Viktoria Marinowa mit ihrer Berichterstattung über diesen Fall oder über ähnliche Fälle zu tun hat. Unklar ist aber auch, ob die Ermittlungsbehörden jemals die Wahrheit ans Licht bringen werden. Denn wenn Marinowas Mörder im Dienst mächtiger Auftraggeber standen, sind die Aussichten nicht hoch, dass diese je gefunden und die Hintergründe ausgeleuchtet werden. Bulgariens Geschichte seit 1990 strotzt vor Auftragsmorden an Politikern, Geschäftsleuten und Journalisten, die nie aufgeklärt wurden. Die Gründe: Siehe oben.

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