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Der letzte Deutsche Fernsehpreis : Ich schaue alles und nehme viele Tabletten

Dreierlei: Sandra Maischberger kam als Goldmarie, Hans Sigl (rechts) las vom Blatt, Klaas Heufer-Umlauf sprach frei. Bild: action press

Der Deutsche Fernsehpreis 2014 war der letzte seiner Art. Er verabschiedete sich mit Witz und Würde. Kaum zu glauben, dass die Sender und Preisstifter zuvor so zerstritten waren. Doch was kommt jetzt?

          3 Min.

          Na also, geht doch. Es ist erschütternd, aber man muss es sagen: „Der letzte Deutsche Fernsehpreis der Welt“ war vielleicht auch der weltweit beste Deutsche Fernsehpreis. Zumindest, was die Präsentation angeht. Fünfzehn Jahre haben die Sender dafür gebraucht. Und plötzlich funktioniert’s. Nur leider geht die Sache auch schon wieder dahin, da sie am schönsten ist. Aber wahrscheinlich geht sie ja doch weiter. Die Botschaft der Branche lautet jedenfalls: Der Deutsche Fernsehpreis ist tot, es lebe der Deutsche Fernsehpreis.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Im nächsten Jahr wird es ihn wieder geben, vielleicht unter anderem Namen und an einem anderen Ort, auf jeden Fall mit einem neuen Konzept. Bewahren sollte man eine Tugend, von der die jetzige Preisverleihung geprägt war: Selbstironie. The German Fernsehpreis goes comedy. So etwas hat die Welt tatsächlich noch nie gesehen.

          Der Fernsehpreis schlägt zurück

          Als sich die Preisstifter – ARD, RTL, Sat.1 und ZDF – im vergangenen Jahr verkrachten, hatte es so ausgesehen, als sei der Kuchen gegessen. Cindy von Marzahn und Oliver Pocher hatten die Preisgala in Grund und Boden moderiert, Sat.1 versenkte die Aufzeichnung im Spätprogramm, weil die anderen Sender gegen die Verabredung verstießen, bei dieser Gelegenheit nicht mit großen Shows und Filmen dagegenzuhalten. Der Deutsche Fernsehpreis schien nur noch peinlich. Unbedeutend, unsendbar, unzumutbar.

          Umso erstaunlicher ist, was die Jury, der WDR als in diesem Jahr ausrichtender Sender und vor allem Klaas Heufer-Umlauf als einer von drei Moderatoren daraus gemacht haben. Es fing schon mit einem witzigen Einspieler an, in dem das „alte“ Fernsehen von neuen, digitalen Monstern bedroht wird – also Online-Plattformen wie Maxdome, Netflix und Watchever. Doch „der Fernsehpreis schlägt zurück“, hieß es. Und das tat er dann wirklich.

          Ihre neue Gemeinsamkeit demonstrierten die Preisstifter schon durch das Moderatoren-Trio. Sandra Maischberger war als ARD-Vertreterin für die Sachkunde zuständig. Hans Sigl, der ZDF-„Bergdoktor“, war bemüht, aber bisweilen unfreiwillig komisch – er hatte ein paar Anzüglichkeiten zu viel im Text. Klaas Heufer-Umlauf aber, der bei Pro Sieben mit Joko Winterscheidt den „Circus Halligalli“ veranstaltet, rockte den Saal. Den Exkurs zu der RTL-II-Bordelltester-Doku hätte er sich sparen können, doch mit dem Ranking der besten (natürlich von ARD und ZDF gefälschten) Ranking-Shows präsentierte er den Höhepunkt des Abends. Da ging es um „die besten Motorräder Norddeutschlands“ und „die besten Talsperren Nordrhein-Westfalens“.

          Vertane Chancen

          Was die Preise angeht, fällt die Bilanz gemischt aus. Spektakuläres war nicht dabei. Der Film „Männertreu“ hätte es in anderen Jahren schwer gehabt, zwei Preise (bester Film, Suzanne von Borsody als beste Schauspielerin) abzuräumen. Roeland Wiesnekker als bester Schauspieler ist eine kluge Wahl, und auch die Entscheidung, die Kategorie „Bester Mehrteiler“ mit Dokumentationen und nicht mit Spielfilmen zu verbinden, leuchtet ein. Die nominierten Programme – „14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs“, „24h Jerusalem“ und „Geliebte Feinde – Die Deutschen und die Franzosen“ – stehen dafür. Bei den Serien wiederum fragt man sich, was beim nächsten Mal prämiert werden soll. Die Serie „Danni Lowinski“, die den Preis bekam, ist vorbei, „Der letzte Bulle“ und „Weissensee“ sind es auch. Die deutsche Serie ist nach wie vor eine Leerstelle. Und die Auswahl bei der Comedy ist auch winzig: „heute-show“, „Knallerfrauen“ mit Martina Hill und das Flachformat „Was wäre wenn?“ von RTL waren nominiert. War irgendwie klar, dass Oliver Welke den Preis (und dann noch einen als Sportmoderator) mitnehmen würde – klar und langweilig.

          Einen seltsamen Gegensatz bilden die Preise für die Dokumentation „Putins Spiele“ von Alexander Gentelev und für Hubert Seipels Interview mit Edward Snowden („Beste Information“). Gentelev entlarvt das autokratische Regime von Wladimir Putin, das auf Gewalt und Korruption basiert. Seipel hingegen präsentiert uns Putins schönstes Faustpfand gegen den Westen, ohne die Umstände mitzuliefern. Edward Snowden kann nämlich nicht nur nicht in seine Heimat zurück, er sitzt in Russland wie hinter Gittern und muss aufpassen, was er sagt. Wirklich Neues zu den NSA-Enthüllungen erfuhren wir aus dem Interview übrigens auch nicht. Diesen Preis hätte die Jury besser an Tilo Jung und dessen Interviewreihe „Jung&Naiv“ vergeben. Sie hätte damit ein Zeichen gesetzt, dass es im „alten“ Fernsehen auch was Neues gibt.

          Wo sehen wir uns im nächsten Jahr?

          Was den neuen Deutschen Fernsehpreis angeht, sollten die Stifter wirklich darüber nachdenken, ihn live zu senden. Die Idee, die Preise für die einzelnen Gewerke (Regie, Kamera, Schnitt) an einem Abend zu vergeben, an dem die Branche unter sich bleibt, und an einem zweiten Abend die publikumsträchtigen Kategorien (bester Film, beste Serie, bester Schauspieler) zu bedenken, ist nicht schlecht. Dabei ergäbe sich auch die Gelegenheit, sich mit der Deutschen Akademie für Fernsehen zu versöhnen, die 2010 einen alternativen Fernsehpreis ins Leben gerufen hat, um all jene zu würdigen, die beim großen Fernsehpreis an den Rand gerückt wurden.

          Bis November läuft die Ausschreibung für Produzenten zum wie auch immer geheißenen Deutschen Fernsehpreis 2015. Die Zweiteilung ist ein Vorschlag der Stifter, die den Preis auch in Köln halten wollen. Doch machte beim „letzten Deutschen Fernsehpreis der Welt“ hartnäckig das Gerücht die Runde, man sehe sich nächstes Jahr in Berlin. Die in der Kölner Pampa gelegene Produktionshalle namens Coloneum zu verlassen wäre ein Segen. Doch ganz gleich, wo der Preis vergeben wird – Klaas Heufer-Umlauf sollte als Moderator gesetzt sein. Allein seine Straßenumfrage, wie lange die Leute fernsehen („wenn der Zivi vergisst, den Fernseher auszumachen“) und was („Ich schaue alles, ich nehme aber auch viele Tabletten“), lohnt das Einschalten.

          Fernsehpreis 2014

          Bester Fernsehfilm: „Männertreu“ (ARD)

          Beste Serie: „Danni Lowinski“ (Sat.1)

          Bester Schauspieler: Roeland Wiesnekker, „Spreewaldkrimi“ (ZDF)

          Beste Schauspielerin: Suzanne von Borsody für „Männertreu“ (ARD)

          Beste Dokumentation: „Putins Spiele“ (Arte)

          Bester Mehrteiler Dokumentation: „24h Jerusalem“ (BR/Arte)

          Beste Reportage: „Team Wallraff“ (RTL)

          Beste Information: Hubert Seipel, „Snowden exklusiv“ (ARD)

          Beste Unterhaltung: „Sing meinen Song - Das Tauschkonzert“ (Vox)

          Bestes Dokutainment: „Shopping Queen“ (Vox)

          Beste Comedy: „heute-show“ (ZDF)

          Sonderpreis Sport: Tom Bartels (ARD), Mehmet Scholl (ARD), Oliver Welke (ZDF)

          Ehrenpreis: Gerd Ruge

          Förderpreis: Sinje Irslinger für „Es ist alles in Ordnung“ (ARD)

          Publikumspreis: Klaas Heufer- Umlauf und Joko Winterscheidt

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