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Abgesetzte Arte-Doku : Ich bin selbst ein Kritiker des Kreml

Nein, das stimmt nicht. Marieluise Beck behauptet, sie habe uns verboten, ihre Mitarbeiterin zu filmen, aber niemand aus unserem Team kann sich daran erinnern. Im Gegenteil, wir haben sie informiert, dass es unser Stil ist, mit zwei Kameras synchron zu filmen, so dass der gesamte Raum erfasst wird. Ich habe das Material nochmals durchgesehen und fand keinen solchen Einspruch von Beck. Vielmehr stellt sie ihre Assistentin vor, auf deren Recherchen im Magnizki-Fall sie sich vor allem stützt. Für mich wäre es kein Problem, die Assistentin unkenntlich zu machen. Nun habe ich gehört, dass Marieluise Beck den Film als eine russische Propaganda abtut, was ich schon für ein Problem halte.

Wie haben Browder und die Angehörigen von Magnizki überhaupt von Einzelheiten des Films erfahren?

Sie haben sich mein Filmmaterial illegal angeeignet. Ich versuche jetzt, Browder vor Gericht zu bringen. Arte sollte meines Erachtens dasselbe tun. Wir wissen gar nicht, welche Filmversion er gesehen und verbreitet hat, es gab viele unterschiedliche.

Zwei Tage vor Sendetermin, am 27. April, war eine Vorabausstrahlung in Brüssel angesetzt, organisiert von der kremlkritischen finnischen Politikerin Heidi Hautala, gegen die in Russland ein Einreiseverbot besteht. Eingeladen waren der Polizeifahnder Pawel Karpow, der von amerikanischer Seite als einer der Hauptschuldigen im Magnizki-Fall betrachtet wird, außerdem russische Journalisten, die teilweise dem Kreml nahestehen.

Ich war und bleibe selbst ein Kritiker des Kremls. Kurz vor dem Filmfestival in Cannes 2007, wo mein Film über Litwinenkos Tod im offiziellen Programm war, wurde mein Haus in Finnland praktisch zerstört und jemand legte das Bild des sterbenden Litwinenko auf mein Bett. Jeder konnte nach Brüssel kommen und sich für die Veranstaltung akkreditieren lassen. Karpow hatte mir ein Interview gegeben. Er ist empört, dass man ihn ohne Beweis als Mörder bezeichnet. Ich habe seinen Fall gründlich untersucht und fand die Anschuldigungen gegen ihn absolut ungerechtfertigt. Karpows Schuld war vielleicht, dass er die Ermittlungen gegen Browders Firmen wegen Steuerhinterziehung leitete - noch lange vor dem Magnizki-Fall. 2014 brachte Karpow Browder in London wegen Verleumdung vor Gericht. Das urteilte, dass nicht annähernd bewiesen sei, dass Karpow an Folter und dem Tod von Magnizki beteiligt war und sich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Festnahme und dem Tod feststellen lasse.

Was die amerikanischen Sanktionen betrifft, so zeigt mein Film, dass das Magnizki-Gesetz (der Magnitsky Act, der in den Vereinigten Staaten 2012 als Reaktion auf den Vorfall verabschiedet wurde, Anm. d. Red.) aufgrund einer ungeprüften Geschichte beschlossen wurde, die von einem einzigen Erzähler - Browder - stammt. Natürlich sind russische Medien an der Geschichte interessiert. Browder ist wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden, den Westen interessiert das überhaupt nicht. Das findet man in Russland vollkommen ungerecht.

Halten Sie das Vorgehen vom ZDF und von Arte für fair, kurz vor Ausstrahlung anzukündigen, den Film einer aufwendigen juristischen Prüfung zu unterziehen?

Ich kenne die Kollegen bei ZDF und Arte aus früheren Produktionen („Lebt wohl, Genossen!“, Grimme Preis 2013) und finde sie professionell und sympathisch. Da es auch ein Film von Arte ist, sollten sie ihn meines Erachtens stärker öffentlich verteidigen. Ich glaube, eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben, die die internationale Politik beeinflussen kann. Aber Filmemachen ist eine kollektive Arbeit. Ich bin Arte für die Zusammenarbeit dankbar. Derzeit bin ich aber Browders Propaganda-Maschinerie ziemlich allein ausgesetzt.

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