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Datenschützer Thilo Weichert : Facebook hat ein Problem

  • Aktualisiert am
Datenschützer Thilo Weichert

Datenschützer Thilo Weichert Bild: dpa

Der gigantische Börsengang von Facebook birgt ein Risiko, das viele ignorieren: Setzt sich der Datenschutz durch, bricht das Geschäftsmodell von Facebook zusammen. Eine Gewinnwarnung.

          2 Min.

          Facebook geht an die Börse, hundert Milliarden Dollar soll das bringen. Darf man sich davon etwas für den Schutz der Daten, mit denen das Unternehmen handelt, erwarten?

          Direkt wird sich nichts ändern. Die bisherigen Kapitalwerte von Facebook beruhen auf einem datenschutzwidrigen Vorgehen, das gegen deutsches und europäisches Recht verstößt. Die Erwartung der Anleger ist, dass der Wert der Aktien steigt. Ich habe die Befürchtung, dass Facebook versuchen wird, die Daten seiner Nutzer noch stärker auszubeuten. Man kann zwar hoffen, dass das Unternehmen in dem Augenblick, da es an der Börse ist und gewisse Transparenzregeln befolgen muss, selbst transparenter wird. Die Datenverarbeitung aber wird sich definitiv nicht wandeln.

          Das heißt für Facebook-Aktionäre?

          Wer als Aktionär spekuliert, muss damit rechnen, dass, wenn sich der Datenschutz in Deutschland und Europa mit seinen Belangen durchsetzt, das Geschäftsmodell von Facebook in sich zusammenbricht. Es ist zwar möglich, dass Facebook unseren Forderungen nachkommt, aber das ist vollkommen offen.

          Bislang haben Ihre Bedenken aber doch gar nichts bewirkt.

          Im August des vergangenen Jahres hat das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein damit begonnen, Facebook zu analysieren und zu kritisieren. Die Empörung, die uns zunächst entgegenschwappte, ist verebbt, es findet eine rationale Auseinandersetzung statt. Wir finden immer mehr Zuspruch - in der Politik und in ganz Europa, weniger bei der Regierung Obama in den Vereinigten Staaten; wohl bei Verbraucherministerin Ilse Aigner, vielleicht weniger bei Innenminister Hans-Peter Friedrich, dafür aber bei der EU-Kommissarin Viviane Reding. Die EU-Kommission hat inzwischen den Entwurf für eine europäische Datenschutzverordnung vorgelegt. Mit der hätten wir ein Instrument, um Facebook datenschutzrechtlich an die Kandare zu nehmen. Facebook muss sich - zumindest mittelfristig - bewegen, anderenfalls werden sie auf dem europäischen Markt ein riesiges Problem haben.

          Worauf muss sich Facebook einlassen?

          Da geht es um vieles: Wahrscheinlich ist die Datenübermittlung in die Vereinigten Staaten nicht mehr möglich, die Analyse von Verkehrsdaten kann nur noch sehr beschränkt erfolgen. Es muss eine bessere Information der Nutzer geben, vor allem bessere Wahlmöglichkeiten der Datenfreigabe. Das Abziehen von Daten dritter Personen, etwa über die Adressbücher, muss eingeschränkt, wenn nicht vollständig ausgeschlossen werden. Für die Gesichtserkennung muss es saubere Einwilligungsverfahren geben. Für die Auskunftserteilung über vorhandene Daten und für deren Löschung gibt es klare europäische Richtlinien, die Facebook bislang nicht beachtet. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der Verbraucherschutz müssen bei Facebook insgesamt erheblich verbessert werden. Sie sehen: Es gibt eine Vielzahl von Anforderungen - technische, organisatorische und rechtliche. Facebook muss sich massiv bewegen.

          Da sich das Unternehmen bislang nie bewegt hat - welche Sanktionsmöglichkeiten haben Sie denn überhaupt?

          Es laufen in Schleswig-Holstein drei Gerichtsverfahren, die hoffentlich bald terminiert werden. Wenn das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz diese Prozesse gewinnt - und davon bin ich überzeugt -, wird das zumindest in Deutschland einen Flächenbrand auslösen. Wir werden mit dem Verfahren wohl durch alle Instanzen gehen und irgendwann beim Bundesverwaltungsgericht landen. Das wird die Diskussion über Facebook und die Praxis von Facebook verändern.

          Der Börsengang von Facebook hat also eine kritische Seite, die viele bislang nicht auf dem Zettel haben.

          Der Datenschutz hat beim Börsengang von Facebook bislang eine untergeordnete Rolle gespielt. Im Prospekt von Facebook wird das zwar als Risikofaktor erwähnt, aber ich glaube, dass sich weder Facebook noch die Kaufinteressenten der Brisanz des Themas bewusst sind.

          Wenigstens wissen wir jetzt, was ein Facebook-Nutzer seinen Daten nach wert ist: Hundert Milliarden Dollar soll der Börsengang bringen, neunhundert Millionen Nutzer gibt es - macht pro Kopf rund 110 Dollar.

          Ich denke, Facebook wird an der Börse überbewertet. Aber das wird erst die Geschichte zeigen.

          Thilo Weichert ist Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, er leitet das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Kiel.

          Die Fragen stellte Michael Hanfeld.

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