ZDF-Serien im Netz : Zuschauer lassen sich nichts diktieren
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Damit fing das ZDF online an: Bibiana Beglau und Devid Striesow in „Schuld“. Bild: GORDON MUEHLE
Die Serien „Schuld“ nach Ferdinand von Schirach und „The Team“ hat das Zweite zuerst online laufen lassen. Bringt das ein größeres Publikum oder schießt sich das Fernsehen ins Bein?
Mit zwei Mehrteilern - den sechs Folgen von „Schuld“ nach Geschichten von Ferdinand von Schirach und den vier Folgen des international koproduzierten Thrillers „The Team“ - hat das ZDF im vergangenen Februar ein neues Zeitalter für seine Zuschauer eingeläutet: Jeweils zwei Wochen vor Beginn der Ausstrahlung im Fernsehen stellte der Sender beide Kurzserien komplett online.
Die große Freiheit der Mediathek
In der ZDF-Mediathek also waren sie sowohl sofort am Stück als auch rund um die Uhr abzurufen, selbst die Schlussfolge von „The Team“ mit der Auflösung des Verbrechens konnte man nach einem Twitter-Votum der Nutzer via Internet schon verfolgen, ehe der erste Teil überhaupt im Fernsehen lief. Entgegenkommen wollte das ZDF damit jener - wie man annimmt - wachsenden Gruppe von Zuschauern, die sich ihre Sehgewohnheiten nicht mehr vom traditionellen Programmablauf diktieren lassen will.
Inzwischen hat Martin Berthoud, der Programmplaner des Senders, das zweifache Experiment ausgewertet. Die Zahlen, die er vorlegt, sind interessant, aber nicht spektakulär. So blieben die reinen Fernsehquoten für beide Serien im Rahmen des Erwartbaren: Jeweils am Freitagabend um 21.15 Uhr konnte „Schuld“ im Schnitt 4,08 Millionen Zuschauer an sich binden und damit dreizehn Prozent Marktanteil erzielen. Bei „The Team“ waren es am Sonntagabend von 22 Uhr an je 3,5 Millionen und 16,4 Prozent.
Im Vergleich dazu nehmen sich die Zahlen für die Mediathek (noch) relativ bescheiden aus. Im Schnitt schauten sich via Internet 144 000 Zuschauer „Schuld“ und 242 000 „The Team“ an, wobei im Falle von „Schuld“ 51 Prozent und bei „The Team“ 59 Prozent aller Mediathek-Abrufe sogenannte Vorabnutzungen waren: Lediglich gut 72 000 respektive knapp 135 000 Zuschauer je Folge nutzten das erstmals vorhandene Angebot, der Fernsehausstrahlung zuvorzukommen. In Wirklichkeit liegen die Zahlen höher, vielleicht gar, vermutet Martin Berthoud, doppelt so hoch - allerdings kann das ZDF bisher nur jene Mediathek-Nutzungen messen, die über Computer oder Laptops erfolgen. Für Abrufe von mobilen Endgeräten (Tabletcomputer, Smartphones) aus gibt es derzeit noch keine Erfassung.
Aber selbst eine mögliche Verdoppelung der Online-Zahlen ergäbe, dass die zeitunabhängige Vorabnutzung im Falle von „Schuld“ nicht einmal fünf und bei „The Team“ keine zehn Prozent des traditionellen Fernsehpublikums gewinnen konnte. Gleichwohl sind die Befunde für die Zukunft des Fernsehens von Belang. Dass etwa die vier von Anfang bis Ende durcherzählten Folgen von „The Team“ in der Mediathek entschieden erfolgreicher waren als die sechs, jeweils in sich abgeschlossenen Folgen von „Schuld“, spricht für eine Online-Präferenz für Serien, deren Handlung horizontal strukturiert ist. Zudem scheint die Mediathek vor allem Sendungen zusätzliche Zuschauer zu bescheren, die im traditionellen Programm erst am späteren Abend beginnen.
Online first: Gerade bei fiktionalen Formaten will das ZDF damit weiter experimentieren. Vorderhand aber droht den überkommenen Fernsehgewohnheiten noch erstaunlich wenig Gefahr.