ZDF-Film „Wer Wind sät“ : Von der Vorhölle aus sieht man Frankfurt
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Die Kommissare sind ratlos: Felicitas Woll und Tim Bergmann Bild: Johannes Krieg
Das ZDF zieht die Quatschgeschichten aus dem Vordertaunus von Nele Neuhaus gnadenlos durch. Ein Roman nach dem anderen wird verfilmt. Jetzt ist „Wer Wind sät“ dran: Ein klarer Fall von Energieverschwendung.
Zum Auftakt hoppeln Hasen höchst mutwillig auf einem Stoppelfeld herum. Interessieren sie sich etwa für die Machenschaften der Gierigen und Reichen, der Trieb- und Windkraftgesteuerten? Aus großen Augen unschuldig blickend, schwören sie den Zuschauer auf diesen, den fünften für das ZDF verfilmten Nele-Neuhaus-Bestseller ein. Flora und Fauna bilden den harmlosen Prospekt der Vorhölle Vordertaunus. Da ist es wieder, das Grobschnittmuster. Kennen wir zur Genüge, funktioniert aber anscheinend, zumindest nach den Quotenrechnungen, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hervorragend.
Hauptsache was mit Tieren
Ein Tierchen ist ein Pläsierchen. Mehr Tierchen, mehr Pläsierchen. Dasselbe gilt für die Motive, die so etwas wie eine Handlung ergeben sollen. Ein Motiv, eine Geschichte. Mehr Motive, Quotengarantie. Heillos überfrachtet ist die Story auch dieses Mal und bleibt hektisch geschnittenes Stückwerk (Drehbuch Anna Tebbe). Wer Wert auf eine perfekt erzählte Krimigeschichte legt, soll sich eben sonntags „Broadchurch“ ansehen.
„Wer Wind sät“: Atmosphäre, schon das ist eine handwerkliche Fehleinschätzung, sollen Postkartenbilder und Marketinghighlights der Touristikbranche liefern. So sieht man Fachwerkhäuser, pittoreske Gässchen und Höfe und immer wieder den Fernblick von den Höhen auf die Skyline Frankfurts (Kamera: Thomas Erhart). Es tritt der obligatorische Hessisch- Dialekthanswurst auf (diesmal gegeben vom Darsteller des Wirts der Gaststätte „Zum Taunus“). Ansonsten, wie gehabt, Tiere, wohin das Auge blickt. Nach Damwild und der exotischen Fraktion in der Episode „Mordsfreunde“, die im und um den Opel-Zoo spielte, ist in diesem Film ein zahmer, bedingungslos treuer Rabe der tierische Bezugspunkt. Eine der Hauptrollen: eine Hundefriseurin. Zwei weitere Figuren arbeiten zur Tarnung in einer Tierhandlung.
Aber worum geht es? Tief Luft holen: In der Windradfirma „Windpro“ stirbt nachts ein Wachmann beim Rundgang. Jemand hat noch versucht, ihn wiederzubeleben. Auf dem Schreibtisch des Geschäftsführers Theissen (Rainer Sellien) liegt ein toter Hamster. Ein Unfall? Von Bodenstein (Tim Bergmann, fassungslos und urteilsgeschwächt) und Kirchhoff (Felicitas Woll, patent und tierlieb) von der Kripo Hofheim ermitteln und geraten in den bekannten Sumpf nur scheinbar ehrenwerter Bürger und Geschäftsleute. Bodenstein ist diesmal besonders begriffsstutzig, weil gerade von seiner Frau sitzengelassen, die sich mit einem jungen Schönling vergnügt. Als alleinerziehender Vater von drei Kindern kann man schon mal das kritische Polizistenbesteck vergessen. Zumal es ganz dicke kommt. Windradenthusiasten, Naturschützer, Patentklau, Alkoholmissbrauch und Verfall, mehrfacher Selbstmord in der Vergangenheit, verschwiegene Adoption, sexueller und psychischer Missbrauch, Verführbarkeit der Jugend, Erben und Sterben, gefälschte Gutachten, Brandanschlag auf die Ehefrau eines renommierten Meteorologieprofessors, Tod eines Wachmanns, Hamster (tot), Bauer (erschossen), Verführung eines naiven Polizeibeamten, versuchtes Unterschieben einer Vaterschaft, Instrumentalisierung einer Bürgerinitiative, Frauen, die mit Männern nur so umspringen, Männer, die mit Frauen nur so umspringen, wofür die sich aber rächen, Übergewicht und seine dramatischen Folgen, des Kommissars Eltern, der Kommissarin neues Liebesglück (das nur am Rande), Interessenkonflikte, geklaute Transporter, Versammlungsrandale (gesteuert), Betrug, Mord, Missbrauch, Geiselnahme, interne Ermittlung, SEK-Einsatz an der Wetterstation, was noch? Einmal Strafgesetzbuch rauf und wieder runter. Ulrike C. Tscharre, Kathrin Filzen und Nadeshda Brennicke haben irgendwas vor. Als verbindendes Element Possierliches von Tieren.
„Wer Wind sät“, wird Motiv-Overkill ernten. Da kann auch der Regisseur Marcus O. Rosenmüller nichts retten. Die nächste, mithin sechste ZDF-Neuhaus-Verfilmung ist als Zweiteiler geplant. Man habe gemerkt, dass neunzig Minuten der Komplexität der Vorlagen nicht gerecht würden, verlautbart der Sender. Wer sich je durch eins der beliebtesten Werke zeitgenössischer Unterhaltungsliteratur gekämpft hat, darf bezweifeln, dass man mit hundertachtzig Minuten zu Rande kommt. Gewiss ist nur eins: Man wird mehr Tiere sehen. Kirchhoff bei der Hufpflege. Von Bodenstein beim Rosenschneiden auf dem noblen Anwesen seiner Eltern. Oder seltene Charolais-Rinder beim Wiederkäuen?