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Abschied aus München : Warum der „Focus“ nach Berlin umzieht

Demnächst nur noch aus Berlin: Das Magazin „Focus“ hat mit München bald nicht mehr viel zu tun. Bild: dpa

Das hätte es zu Helmut Markworts Zeiten nicht gegeben: Das Burda-Magazin „Focus“ zieht mit Mann und Maus nach Berlin. Warum? Und was bleibt von der Redaktion übrig?

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          Der vorletzte Chefredakteur des „Focus“, Jörg Quoos, nahm den Umzug in Angriff, der aktuelle Redaktionschef Ulrich Reitz vollendet ihn: Das Magazin aus dem Burda-Verlag wechselt nach Berlin, in München bleibt nur ein kleiner Teil der Belegschaft zurück. Zugleich gibt sich „Focus“ eine neue Redaktionsstruktur. Man werde „systematisch ein dezentrales Netzwerk aus rund fünfzig freien Autoren, Korrespondenten und Experten aufbauen“, teilt der Verlag mit. Der Grund: „Focus“ wolle weg „vom aktualitätsgetriebenen, hin zum einordnenden, vertiefenden Journalismus“. Man darf freilich auch etwas anderes vermuten: Der Umzug nach Berlin wird Redaktion und Verlag kräftig durcheinanderwirbeln, manche oder viele werden nicht mitgehen wollen, so dass „Focus“ in Berlin quasi durch die Hintertür einen Neustart hinlegen kann.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Rund 130 Mitarbeiter hat der „Focus Magazin Verlag“, von diesen sollen künftig 75 Prozent in Berlin wirken – Redakteure, Layouter, die Produktionssteuerung und das Digital-Team. In München verbleiben zehn Redakteure, fünf Stellen fallen weg, 55 Änderungskündigungen werden ausgesprochen. Man hoffe, heißt es auf Anfrage, dass die meisten Kollegen mitgingen. Bis Ende September haben die Mitarbeiter Zeit, sich zu entscheiden. Vonstattengehen soll der Umzug im ersten Halbjahr 2016. „Focus“ dürfte im nächsten Sommer also ein Magazin aus Berlin sein.

          Ein Paradigmenwechsel

          Damit vollzieht sich ein paradigmatischer Wandel. In Zeiten, in denen der Erfinder, frühere Chefredakteur und Herausgeber Helmut Markwort bei Burda nicht nur in Sachen „Focus“ den Ton angab, wäre der fast vollständige Abzug aus München undenkbar gewesen.

          Der Umzugsbeauftragte: „Focus“-Chefredakteur Ulrich Reitz.
          Der Umzugsbeauftragte: „Focus“-Chefredakteur Ulrich Reitz. : Bild: dpa

          Unter dem Chefredakteur Jörg Quoos, der heute den Redaktionspool der Funke-Gruppe in Berlin leitet, galt dies schon nicht mehr. Nun war „Focus“ ein Magazin aus München mit einer stark vergrößerten Dependance in Berlin. Der jetzige Chefredakteur Ulrich Reitz, der das Blatt aus dem Effeff kennt, weil er schon bei der Gründungsmannschaft dabei war, bevor er in anderen Häusern Karriere machte, setzt den Schlusspunkt. „Wir bündeln die Kraft unserer Redaktion“, sagt er. „Wir sind künftig das aktuelle Magazin mit der größten Redaktion in Berlin – aber wir bleiben auch das aktuelle Magazin mit der stärksten Vertretung in München. Was für Münchner Kollegen mit Härten verbunden ist, ist für ,Focus‘ insgesamt richtig.“

          Das könnte sogar stimmen, schließlich gilt es für den „Focus“, publizistische Relevanz zurückzugewinnen, die zu Markworts Zeiten errungen wurde. Die Kontur der Marke „Focus“ ist immer unschärfer geworden, das Erscheinen von Montag auf Samstag vorzuziehen hat dem Magazin auch nicht genutzt. Mit Auflagenrekorden glänzen in diesen Zeiten wenige Presseverlage, doch bei „Focus“ ist die Not besonders groß, zu der auch die Kluft beiträgt, die zwischen „Focus“, dem Heft, und „Focus Online“, dem Internetauftritt, besteht. Dieses hat sich zu einer Klickschleuder entwickelt, deren boulevardesker inhaltlicher Zuschnitt „Bild“ in nichts nachsteht. Paradigmatisch ist der „Focus“-Treck aber auch im Blick auf das Journalismusmodell, mit dem der Konkurrent Gruner + Jahr längst arbeitet: Eine kleine Redaktion steuert, freie Journalisten liefern die Geschichten. So hebelt man die Trägheitskräfte eines eingefahrenen Betriebs aus. Flexibel und preisgünstig ist es auch, für viele Autoren allerdings prekär.

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