ARD und ZDF machen „funk“ : Jung und gar nicht naiv
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Willkommen im „Kliemannsland“. Was und wo das ist, erfährt man im Netz bei „funk“, dem Start-up von ARD und ZDF. Bild: funk
Das „junge Angebot“ von ARD und ZDF bekommt einen vertrauten Namen: „funk“. Dabei hat das Programm mit Funk und Fernsehen nichts zu tun. Es läuft allein online, und das ist auch gut so.
Mainz ist hip. Das gilt zumindest für die zweiundzwanzigste Etage des Turms A der Bonifazius-Türme. Die ragen direkt hinter dem Bahnhofsplatz in die Höhe und sind eigentlich das Wahrzeichen der Stadt für kapitalen Still- und Leerstand. Hier oben, in diesem Klotz aus den siebziger Jahren, wird aber gerade Tempo gemacht und über die Zukunft von ARD und ZDF entschieden – in einem kleinen Start-up mit dreißig Leuten, das bis gestern unter dem sperrigen Arbeitstitel „Junges Angebot“ firmierte. Der echte Name des Senders, der keiner ist, ist raus. Er lautet, kurz und knackig: „funk“.
Das ist insofern sehr lässig selbstironisch, als „funk“ mit den alten Funkmedien Fernsehen und Radio nichts zu tun hat. „funk“ ist ein Online-Netzwerk, das mit vierzig Formaten das Netz in all seinen Abspielformen bedient – online mit einer Website, mobil mit einer App, bei Facebook, Youtube, Instagram und Snapchat. Die Macher von „funk“ wollen da sein, wo ihr Publikum ist – das Publikum der Generation Internet im Alter zwischen vierzehn und neunundzwanzig Jahren, das sich eben nicht mehr vor den Fernseher setzt oder das Radio einschaltet.
Ein Angebot für alle von 14 bis 29?
Wer in der zweiundzwanzigsten Etage von Bonifazius-Turm A anlangt, geht allerdings erst einmal an einer Sammlung uralter Röhrenfernseher vorbei. Sie gehören zur Retro-Deko. Keine Deko ist die große Videoleinwand, auf der man alle möglichen Kanäle gleichzeitig sichten kann. Im kleinen Konferenzraum sitzen Sophie Burkhardt und Florian Hager, die dafür, dass sie im Auftrag von ARD und ZDF eine Quadratur des Kreises ins Werk setzen sollen, erstaunlich gelassen wirken: Ein Angebot für alle im Alter zwischen vierzehn und 29 Jahren? Dass das nicht geht, wussten die „funk“-Macher von vornherein. Deshalb haben sie ihre Zielgruppe taxiert, gefragt, welche Gemeinsamkeit diese auszeichnet – das Suchen und Finden des eigenen Platzes in der Welt –, und dann unterteilt: nach Geschlecht und nach dem Alter in den Schritten vierzehn bis sechzehn, siebzehn bis neunzehn, zwanzig bis vierundzwanzig und fünfundzwanzig bis neunundzwanzig. Und sie haben sich Kategorien für ihre Formate ausgedacht. Laufen werden die Stücke unter den Stichworten „Informieren“, „Orientieren“ und „Unterhalten“.
Was läuft da? Mehr als vierzig verschiedene Formate gibt es, mit Leuten, die im Internet schon einen Namen haben (etwa die Herren Florian Mundt, Max Krüger und Robin Blase alias LeFloid, Frodoapparat und RobBubble), und solchen, die sich einen machen wollen, von A wie „Auf einen Kaffee mit Moritz Neumeier“ bis beinahe Z wie der ziemlich professionellen Mystery-Webserie „Wishlist“. Monatelang haben Sophie Burkhardt, die Digital-Referentin des ZDF-Chefredakteurs war, und Florian Hager, der als stellvertretender Programmchef von Arte zu „funk“ kam, und ihre Mitstreiter am Programm gearbeitet, Protagonisten angeworben und eine Phalanx versammelt, mit der sie am 1. Oktober loslegen.
Dass die „Funker“ – zum Glück – anders ticken, als man das von den öffentlich-rechtlichen Sendern kennt, die sie mit einem Jahresetat von 45 Millionen Euro in die Versuchsanordnung schicken, merkt man gleich. „Wir sind explorativ an die Sache herangegangen“, sagt Sophie Burkhardt. Sie wüssten, dass sie mit ihren Inhalten dahin gehen müssen, wo die Nutzer sind, und nicht umgekehrt, sagt Florian Hager. Jedes Format solle seine ganz bestimmte Zielgruppe finden und „in den jeweiligen Filter kommen“. Wenn sich zwischen den verschiedenen Zielgruppen Verbindungen ergeben, umso besser. Der Generation unter dreißig „eine Stimme geben“, lautet der Auftrag etwas pathetischer formuliert.
So packt „funk“ die Sache unter umgekehrten Vorzeichen an, als die Mutterhäuser ARD und ZDF es täten, es ist kein Sender, sondern Plattform und Netzwerk. Das geht auch, weil die medienpolitische Debatte darauf hinauslief, dass es das „junge Angebot“ allein online gibt und nicht trimedial, also auch im Fernsehen und Radio. Erst durch diese Beschränkung, die für das junge Publikum gar keine ist, gewinnt „funk“ die Freiheit, die es braucht.
Jetzt geht alles online – manches ist undercover längst im Netz präsent und wird sich als dem Netzwerk zugehörig zu erkennen geben. „Kliemannsland“ etwa, der „erste, beste und freieste Interaktiv-Staat der Welt“, von und mit Fynn Kliemann und Hauke Gerdes, die irgendwo im Norddeutschen einen Hof bezogen haben und fleißig senden, gehört zur „funk“-Föderation. Für die ist auch die Reportergruppe „Y-Kollektiv“ unterwegs, zu der unter anderen Hubertus Koch gehört, der mit seiner Online-Dokumentation „Süchtig nach Jihad“, für die er auf eigene Faust ins syrische Kriegsgebiet reiste, Aufsehen erregt hat.
Comedy, Satire, Reportagen, Musik, ein Hackathon, Webserien – bei „funk“ steht alles auf der Liste. Die drei Lizenzserien „Banana“, „Fargo“ und „Hoff the Record“ mit David Hasselhoff, sollen am Rande für Aufmerksamkeit sorgen, stellen aber nicht das Eigentliche von „funk“ dar. Dessen Ambition ist es nicht, wie Florian Hager sagt, von Beginn an Millionen Klicks zu holen, aber schon, zu einem bedeutenden, kreativen Player in der sich rasant entwickelnden Webvideobranche zu werden. Das Zeug dazu dürfte „funk“ haben. Das Programmbouquet muss nur sein Publikum finden.