ARD-Film „Männer der Emden“ : Verzeihen Sie bitte, dürften wir Ihr Schiff versenken?
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Alle Mann von Bord: Ken Duken spielt im ARD-Film, „Die Männer der Emden“ den Ersten Offizier Bild: ARD Degeto/Berengar Pfahl Film/Hardy Brackmann
Sie flüchteten im Ersten Weltkrieg um den halben Globus: Die ARD erzählt die Geschichte der „Männer der Emden“. Der Film dauert drei Stunden, ist mit Nebensächlichkeiten überladen und lebt vor allem von der Erotik der Exotik.
Dass Adolf Hitler Hellmuth von Mückes scharfe Anwürfe, er pflege einen „byzantinischen Führungsstil“, und dies sei „undeutsch“, weitgehend ungestraft durchgehen ließ - von einem 1933 verhängten Schreibverbot für den 1929 aus der NSDAP ausgetretenen Realpolitiker einmal abgesehen -, liegt daran, dass es Hitler hier mit einer lebenden Legende zu tun hatte. Von Mücke hat als Kapitänleutnant und Erster Offizier der SMS Emden vor genau hundert Jahren ein Bravourstück nach altem deutschen Geschmack vollbracht.
Die im Indischen Ozean Handelskrieg führende SMS Emden narrte die weit überlegene britische Marine, indem sie empfindliche Treffer landete und lange den Verfolgern der Entente entging. Weil die Führung der SMS Emden die Besatzungen der angegriffenen Schiffe weitgehend verschonte, verliehen ihr sogar britische Zeitungen den Ehrentitel „Gentlemen of War“.
Klassische Odyssee
Als der deutsche Kreuzer gleichwohl am 9. November 1914 vor den Kokosinseln von einem australischen Kreuzer versenkt wurde, befand sich von Mücke mit einem fünfzig Mann starken Landungszug auf Direction Island, um eine Funkstation auszuschalten. Er wollte seine Männer keinesfalls in Gefangenschaft geraten lassen, und so begann eine abenteuerliche Heimkehr-Flucht über den halben Erdball. Mit einem requirierten Schoner erreichte der Trupp Sumatra und gelangte über Indonesien, Arabien und die Türkei bis nach Berlin.
Berengar Pfahls pompöser Dreistünder „Die Männer der Emden“, der als kürzere Fassung im vergangenen Jahr in die Kinos gekommen ist, zeichnet diese geradezu klassische Odyssee des Landungszugs in beeindruckenden, Fernweh evozierenden Bildern nach, wobei Sebastian Blomberg einen prächtig verwegenen „Kaleu“ Hellmuth von Mücke abgibt. Damit hat sich die historische Genauigkeit aber auch schon, denn alle weiteren Personen und die meisten Binnenhandlungen sind frei erfunden - und nicht allzu gut erfunden.
Es fehlt an Glaubwürdigkeit
Eine im Fernsehen leider noch größere Rolle als in der Kinofassung nimmt die melodramatische Nebenhandlung ein. Der zweite Protagonist, Offizier Karl Overbeck (der selbst im Kampf ein wenig zu männermodelmäßig adrett wirkende Ken Duken), ist nämlich heimlich verlobt mit Maria von Plettenberg (Felicitas Woll), die jedoch, nicht wissend, dass ihr Geliebter den Angriff überlebt hat, auf der eigenen Flucht eine ohnehin standesgemäßere Liaison mit Manfred von Manstein (Matthias Schloo) eingeht, aber mit dem Herzen trotzdem - ach, das Übliche eben. Schlachten und Schmachten, das gehört offenbar zwingend zusammen im Fernsehen.
Auch eine zweite Frau gibt es, eine türkische Wissenschaftlerin, gespielt von Sibel Kekilli, die immerhin erfreulich spröde bleiben darf, aber zugleich, als wäre die Rolle von der Gender-Beauftragten der ARD hineingeschrieben worden, ein mit den Männern mithaltendes Flintenweib darstellen muss. Überhaupt mangelt es mit Ausnahme von Kaleu von Mücke und vielleicht noch von Maat Kluthe (Oliver Korittke) allen Charakteren an Vielschichtigkeit und Glaubwürdigkeit. Allzu oft hat man das Gefühl, vom gewaltigen Setting eingeschüchterten Schauspielern dabei zuzusehen, wie sie in gebügelten oder (von einem Moment auf den anderen) künstlerisch verdreckten Uniformen artig ihre Texte aufsagen.
Drei Stunden Schwelgefernsehen
Eine Prise Robinsonade, eine Prise Kriegsfilm mit singenden Matrosen, viel Kolonialkitsch und noch mehr altes Abenteuerkino: Weil dieser Eventfilm wie eine lautstarke Melange aus „Piraten der Karibik“ und „Das Boot“ anmutet, scheint ein wenig unterzugehen, dass er durchaus einen spannenden Ansatz hat. Pfahl nämlich erzählt die gefeierte Legende als Antiheldenstück, ohne den Mythos direkt zu diskreditieren. Er lässt ihn gewissermaßen auf Grund laufen.
Zunächst wird die Korrektheit der Kaiserlichen Marine ins Satirische übersteigert, wenn von Mücke dem englischen Gouverneur vollendet höflich mitteilt: „Es tut mir sehr leid, aber wir müssen nun Ihren Telegrafenmasten sprengen.“ Auf dessen Bitte, dabei den Tennisplatz zu schonen, gehen die „Gentlemen of War“ natürlich ein. Doch ebendiese vermeintliche Tugendhaftigkeit erweist sich während der langen Heimreise als Verblendung, die Kameraden das Leben kostet.
Gegen die immer deutlicher werdende Sinnlosigkeit des ganzen Unterfangens - man hätte auch bequem bei den neutralen Niederländern warten und gegebenenfalls über eine Ausreise verhandeln können - kommt von Mückes Treue- und Heimat-Emphase irgendwann nicht mehr an. Zwischen toten Kamelen eingebuddelt, sind die Helden schließlich dem Dauerfeuer bewaffneter Beduinen ausgeliefert: Zu gewinnen gibt es hier nichts mehr.
Dabei hätte man es belassen sollen, doch leider muss in den Schlusssequenzen auch diese Dimension noch übersteigert werden. Die Eisernen Kreuze werden den Überlebenden von einem tatterigen Generaloberst überreicht, dessen Genuschel allen germanischen Erhabenheits-Visionen, an die sich die Matrosen geklammert haben mögen, hohnspricht. Aber auch damit noch nicht genug, lässt Pfahl ein pazifistisch auftrumpfendes Finale folgen, womit er es sich freilich allzu leicht macht in Richtung Märchen: Von Mückes weiterer Weg wäre weit interessanter gewesen als der des geläuterten Schönlings Karl. Aber an Ostern sind Süßigkeiten ja nicht unbedingt verboten. Drei Stunden Schwelgefernsehen mit viel Erotik der Exotik, das ist auch nicht nichts.