
Schutz von Journalisten : Was Reportern auf Demos blüht
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Plakatträger auf der Demonstration am vergangenen Montag in Berlin. Bild: Imago
Über den jüngsten Aufmarsch von Corona-Leugnern in Berlin konnte ein Team des RBB nur unter massivem Polizeischutz berichten. Ist das der „Normalzustand“ und ist die Polizei darauf vorbereitet?
In den Nachrichtenagenturen klingt es relativ harmlos. „Mehrere Tausend Menschen haben am Montag in Berlin gegen die Corona-Politik protestiert“, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. „Eine Demonstration führte vom Reichstagsgebäude durch mehrere Stadtteile der City Ost zurück zum Sitz des Bundestages. Auf einem Banner an der Spitze des Demonstrationszuges war in großen Lettern ,Frieden, Freiheit, Selbststimmung‘ zu lesen sowie etwas kleiner ,Keine Waffen‘ und ,Keine Impfpflicht‘. (...) Nach Angaben der Polizei, die von einer vierstelligen Teilnehmerzahl sprach, verlief die Demonstration friedlich.“
In der „Abendschau“ des RBB klingt das etwas anders. Von 6500 Menschen, die durch die Straßen ziehen, berichtet der Reporter Olaf Sundermeyer, der sich in der Szene der Rechtsextremen, „Querdenker“, Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner sehr gut auskennt. Er schildert, wer hier zusammenfindet und welche Slogans zu hören sind. Das „Ende der Corona-Terrorherrschaft“ werde gefordert und „das Ende der Kriegstreiberei“, womit gemeint ist, man solle Putin seinen Vernichtungskrieg machen lassen und der Ukraine keine Waffen liefern.
„Wir werden bedrängt, beschimpft, angegangen“
An die Medien denken die Demonstranten auch. Sie ziehen vor die Hauptstadtredaktionen und skandieren: „Journalisten: Hetzer! Schwätzer“, „Mietmäuler bei ARD&ZDF“, „Lügenpresse auf die Fresse“. Letzteres muss man als Drohung wörtlich nehmen. „Wir als RBB-Fernseh-Team“, berichtet Sundermeyer, „werden bedrängt, beschimpft, angegangen, müssen die Dreharbeiten zunächst abbrechen. Die wenigen Polizisten im Einsatz halten einen Mob auf Distanz, der sich um unser Team bildet.“ Die Polizei braucht Verstärkung: „Erst unter massivem Polizeischutz können wir weiter unsere Arbeit machen.“
Das ist inzwischen der „Normalzustand“ bei Demonstrationen des völkischen Verschwörungslagers und der extremen Linken. Übergriffe auf Journalisten haben in den vergangenen Jahren derart zugenommen, dass der Deutsche Journalisten-Verband von den Polizeien des Bundes und der Länder Schutzkonzepte für Journalisten fordert. Die „Fehler und Pannen“, die bei zum Teil gewalttätigen Corona-Großdemos gemacht worden seien, dürften sich nicht wiederholen, sagt der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. „Erste Demonstrationen gegen die Preisentwicklung und mögliche Einschränkungen der Energieversorgung“ offenbarten „ein hohes Gewaltpotential, das sich vor allem gegen Journalisten, Fotografen und Kameraleute richtet“.
Die Verschwörungsszene kultiviert unterdessen ihre eigene Informationswelt. In der gilt, was „alternative“ Medien wie „Compact“ oder der nach Deutschland strebende österreichische Netzkanal Auf1 verkünden. Ein „heißer Herbst“ ist angekündigt, in dem die antidemokratische Szene so richtig mobil machen will. Die Demonstration am Montag in Berlin war nur ein kleiner Vorgeschmack. Es wäre gut, bliebe Frank Überalls Appell, Journalisten zu schützen, nicht ungehört. Das Grundrecht der Pressefreiheit, sagt der DJV-Chef zu Recht, gelte es „immer und überall“ durchzusetzen.