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Regisseure begehren auf : Gegen den neuen deutschen Medienfeudalismus

  • -Aktualisiert am

Rolf Silber ist Mitinitiator von „Regie Jetzt!“. Bild: To Kuehne

Der Bundesverband Regie sieht die Grundlagen seines Berufsstands durch den Kontrollwahn der Sender bedroht. Der Appell „Regie Jetzt!“ formuliert Punkte für ein faires Miteinander.

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          Man nennt es wohl Galgenhumor. Wenn eine Vereinigung wie der Bundesverband Regie (BVR), in dem mehr als 500 Regisseure organisiert sind, ein neues Horror-Viech entdeckt, das sogar in die Träume kriecht, muss schon viel schiefgelaufen sein. Das „Kontrollwahnwichtel“ erscheine am Drehort, im Schneideraum, auf der Teamtoilette und sogar im Traum, um zu erklären, dass es den Beruf besser kann als die, die ihn machen. Jeden Beruf. „Regie mit links“, schildert der Regisseur, Drehbuchautor und BVR-Vorstand Rolf Silber in einem Cartoon die Branchennöte.

          „Filme entstehen in einem künstlerisch-industriellen Zusammenhang. Wir wissen das, wir sind nicht naiv. Aber das Ausmaß an Einmischung von dritter oder vierter Stelle, was Inszenierung wie Herstellungskosten angeht, hat ein in vielen Fällen unerträgliches Ausmaß angenommen“, sagt Silber. Deshalb hat der BVR ein neues Label erfunden: „Regie Jetzt!“ macht in zehn Punkten Vorschläge für praxisgerechte Bedingungen, denn: „Gute Filme brauchen die Kraft der Regie.“

          „Schafft Sendeplätze für andere Genres und nicht noch einen Krimi“

          Um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte, ist es hilfreich, Silber und seinem Kollegen Jobst Oetzmann zuzuhören. „Die Branche leidet unter Praktikantismus“, sagt Silber und benennt einen Präzedenzfall, als ein Kalkulator vom Sender die Ansetzung eines 90-minütigen Films mit 22 Drehtagen kommentierte: „Kann der Regisseur seinen Job nicht? Nehmen Sie doch einen jungen Regisseur vom Theater und sagen ihm, wie’s gemacht werden soll. Der dreht ihnen das Ding in 20 Tagen.“

          Silber kommentiert das mit den Worten, dass sich da „Altersdiskriminierung mit dem Thema Ausbeutung der Jungen“ treffe: „Auf eine verquere Art leiden alte und junge Kollegen gemeinsam.“ Warum das überhaupt möglich ist? „Da gibt es vertikale Oligopole, die entsprechend politisch agieren. Niemand legt sich mit den Sendern an.“ Und natürlich gebe es immer noch gute Redakteure und Redaktionsleiter. Doch seit den 2000er-Jahren habe eine teilweise „atemberaubende Respektlosigkeit“ eingesetzt. Die Verhältnisse machen uns Magenweh“, sagt Silber, „dagegen rangieren die Gagen erst auf dem zweiten Platz.“

          Redakteure reden beim Dreh in alles hinein

          Inzwischen komme es vor, dass eine Redaktion am ersten Drehtag am Set auftauche und vom Kostüm bis zur Frisur des Hauptdarstellers alles geändert haben will – oder sechs Wochen vor Drehbeginn ganze Produktionen abgesagt werden. Es herrsche ein „neuer deutscher Medienfeudalismus. Je höher in der Hierarche, desto kompliziert wird’s“, sagt Silber und fordert: „Schafft Sendeplätze für andere Genres und nicht noch einen Krimi. Das ist alles so verklebt.“ Getrieben sei das alles durch das Schielen auf die Zahlen. Das fördere die Tendenz zu „überverwalteten Filmen“. Auch Kinofilme würden auf die Förderung hin entwickelt. Das reiche bis zur Besetzung mit Leuten, die von den „Förderungsauguren“ gefordert würden. „Dann entstehen eben die berühmten deutschen Reiseproduktionen, die sich ein bisschen Geld aus Hessen holen, ein bisschen Geld aus NRW, ein bisschen aus Bayern und dann FFH obendrauf. Was Sie bei den Einreichungen an Papierbestätigungen losschicken müssen, ist grauenhaft. Selbst wenn man wirklich gute Ansätze hat, wird man in ein Konsensgerüst hineingezogen. Das führt dann zu diesen abgeschliffenen Konsensfilmen. Wäre das System etwas befreiter, gäbe es auch mehr Überraschungserfolge.“

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