Fußball im Audiostream : Bundesliga bei Amazon
- -Aktualisiert am
Liveübertragung aus dem Stadion - das will Amazon bieten, per Audio. Bild: dpa
Alle Spiele, alle Tore, Bundesliga und DFB-Pokal – gibt es bei Amazon im Audiostream. Der Internetversand will den ARD-Radios das Wasser abgraben. Und die Pläne dürften noch weiter reichen.
Es hat schon etwas Verwegenes, wenn man in der Münchner Zentrale von Amazon Deutschland in einem Konferenzraum den neuen „Head of Sports“ über „deutsches Kulturgut“ reden hört und „Gründungsmythos der ARD – die Fußball-Radioübertragung ist das einzige Recht, das sie noch nie verloren haben.“ Florian Fritsche darf so etwas sagen. Der ausgewiesene Fußball- und Radioexperte gründete einst den privaten Fußballradiosender „90elf“, nun setzt er bei Amazon zu seinem größten Coup an.
Vor Jahresfrist hat Amazon für die kolportierte Summe von fünf Millionen Euro die Rechte am Bundesliga-Audiostreaming gekauft. Wer glaubt, dass das nur der Auftakt ist für den eventuell geplanten Erwerb von Bewegtbildrechten in vier Jahren, wird die Professionalität der Audioberichterstattung als glänzende Visitenkarte beim Bundesliga-Verband DFL wahrnehmen. Eine Art Sky für die Ohren will man in München kreieren mit einem fünfzig Mann starken Team, das natürlich auch „alle Spiele, alle Tore“ verspricht und die Konferenzschaltung der ARD in den Schatten stellen soll. Amazon richtet für jede der achtzehn Begegnungen pro Bundesligaspieltag der ersten und zweiten Liga eigene Kanäle ein, auf denen mindestens ein Reporter, begleitet von Fachleuten, das Geschehen auf und neben dem Spielfeld schildert. Dazu gibt es eine neunzigminütige Konferenzschaltung mit halbstündigem Vor- und Nachlauf, und das alles werbefrei, allenfalls unterbrochen in den Pausen durch kurze Musikstücke.
Zusätzlich gab Amazon nun bekannt, ein neues Rechtepaket erworben zu haben, das gestattet, neben den 617 Pflichtspielen der Bundesliga inklusive Relegation und Supercup nun auch alle 63 Spiele des DFB-Pokals per Audio übertragen zu dürfen – das allerdings nur für die Mitglieder von Amazon Music Unlimited. Die Bundesliga-Übertragungen hingegen sind vom 28.Juli an für alle Amazon-Prime-Kunden zu hören. Florian Fritsche nennt die Prime-Kunden Besitzer einer „digitalen Dauerkarte“. Diese kann, sollten sie im Besitz des Voice-Computers Alexa sein, mit dem gesprochenen Befehl: „Alexa spiel Bayern München gegen Borussia Dortmund“ sofort die Live-Übertragung einschalten. Wer Laptop, Tablet oder Smartphone nutzt, bekommt zusätzlich ein Standbild der Arena eingeblendet und die aktuelle Aufstellung der Mannschaften.
Die von Fritsche so titulierte „Startaufstellung“ seines Teams wird angeführt von Chefkommentator Marco Röhling, ein Mitstreiter aus 90elf-Tagen. Dazu kommen Oliver Faßnacht und Konni Winkler. Die ganz großen Namen fehlen im Expertenteam, das im laufenden Spielbetrieb aufgestockt werden soll. Zunächst sind der einstige Nationaltorhüter Timo Hildebrand, der Trainer Robin Dutt, die Ex-Leverkusener Ulf Kirsten und Jens Nowotny, der Ex-Schalker Ingo Anderbrügge, der zurückgetretene Präsident von Mainz 05, Harald Strutz, Maik Franz, der Sportarzt Thorsten Dolla und der Sportpsychologe Peter Wellbrock am Mikro.
Um störungsfrei das „Hacke, Spitze, Ohr“-Motto umsetzen zu können, hat sich Amazon Deutschland technische Hilfe beim Mutterkonzern geholt und beim Technikchef Tyler Hobbs in San Francisco ein robustes technisches Gerüst bestellt, das wenig Speicherkapazitäten vom übertragenden Gerät abzieht. „Es war uns wichtig, eine klares sauberes Produkt abzuliefern“, sagt Hobbs in München und ist sich ziemlich sicher, dass seine Technik am intern „Day One“ genannten ersten Spieltag Ende Juli funktionieren wird. Das weitere technische Knowhow kauft Amazon bei der Firma Plazamedia ein. Ein Wiederhören gibt es dienstags mit der einstigen 90elf-Show „Bolzplatz“, die von Alexander Fabian und Markus Herwig moderiert, wird sowie montags mit der „Zweierkette“ mit Alexander Schlüter und Benjamin Zander.
Dass hier ein ernstzunehmender neuer Player am Markt ist – daran lässt Amazon keinen Zweifel. Selbstbewusst stellt Fritsche „unsere achtzehn Mal Neunzig-Minuten-Live-Übertragung“ gegen die „zwei Mal fünfzehn Minuten in der ARD-Konferenz“. Die Hör-Übertragung, so lautet wohl die unterschwellige Botschaft – ist nur der Anfang. Gut möglich, dass sich Amazon auf dem Markt der Fußballrechte ebenso ausbreiten will wie mit den seit einiger Zeit selbst produzierten und in großer Zahl angekauften Fernsehserien, wobei Geld und Einschaltquote zunächst keine Rolle zu spielen scheinen. Beim Ligaverband DFL scheint die Botschaft jedenfalls angekommen zu sein: „Wir freuen uns, in Amazon einen großartigen Partner gefunden zu haben, der Audio-Streaming auf ein neues Level bringt“, lässt sich der DFL-Geschäftsführer Christian Seifert zitieren.