„Big Brother Awards“ : „Oscars der Überwachung“ gehen an Alexa und Windows 10
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Amazons „Alexa“ ermöglicht Sprachsteuerung im eigenen Zuhause. Das Programm speichert die Mitschnitte aber auch monatelang ab. Bild: EPA
An diesem Freitagabend werden in Bielefeld die „Big Brother Awards“ vergeben. Der Preis tadelt die schlimmsten Verstöße gegen Datenschutz und Privatsphäre. Unter den Gewinnern sind bekannte Namen.
Was für die Filmbranche die „Goldene Himbeere“ ist, sind im Datenschutz-Business die „Big Brother Awards“: Die schlechtesten Leistungen und Entscheidungen in den Gebieten Datenschutz und Privatsphäre werden einmal im Jahr bei einer Gala ausgezeichnet, so auch an diesem Freitagabend in Bielefeld.
Ideengeber für den Negativpreis war die britische Menschenrechtsorganisation „Privacy International“, die sich für den Schutz der Privatsphäre von Bürgern gegenüber Staat und Wirtschaft einsetzt. Die erste Preisverleihung fand 1998 in Großbritannien statt, mittlerweile sind Ableger in 14 Ländern entstanden. Das Prinzip: Eine Jury aus Datenschutzexperten vergibt Preise an Unternehmen oder Personen, die persönliche Daten anderer weitergegeben haben oder deren Privatsphäre besonders gravierend verletzt haben.
Mitarbeiter-Überwachung und Spionageprogramme
In Deutschland richtet der Verein „Digitalcourage e.V.“ die Veranstaltung aus, Preise werden in den sechs Kategorien „Arbeitswelt“, „PR & Marketing“, „Technik“, „Verwaltung“, „Verbraucherschutz“ und „Politik“ verliehen. Einer der bekanntesten Gewinner in diesem Jahr ist Amazon. Der Online-Händler wird in der Kategorie „Verbraucherschutz“ für sein „neugieriges, vorlautes, neunmalkluges und geschwätziges Lauschangriff-Döschen namens Alexa“ ausgezeichnet, wie die Organisatoren in einer Begründung bekanntgaben. Besonders kritisierten sie, dass die Sprachaufnahmen in einer Cloud gespeichert würden und man sie noch Monate später abspielen könne. Auf diese Weise könnten ganze Haushalte überwacht werden, und es sei unklar, wer noch auf die Daten zugreifen könne.
Prominenter Preisträger neben Amazon ist der Computerkonzern Microsoft, der den „Big Brother Award“ in der Kategorie „Technik“ erhält. Microsoft speichere mit Windows 10 zu viele Daten seiner Nutzer, ohne dass sich diese dagegen wehren könnten. „Was geht es Microsoft an, ob Sie Ihren Computer eher als Schreibmaschine, als Spielzeug, als Fernseher oder für Bildbearbeitung benutzen? Und was macht die Firma mit dieser Information? Wir wissen es nicht“, so Laudator Frank Rosengart vom „Chaos Computer Club“, der größten Hacker-Vereinigung Deutschlands. Microsoft lässt es sich trotz aller Kritik nicht nehmen, den Preis auch abzuholen – Sabine Bendiek, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, wird die Auszeichnung persönlich entgegennehmen.
In der Kategorie „Politik“ gewinnen die Fraktionen der CDU und der Grünen im hessischen Landtag. In dem von ihnen geplanten Verfassungsschutzgesetz werden der Landesregierung erhebliche Überwachungsrechte zugesprochen. Mit sogenannten „Staatstrojanern“ sollen verdächtige Computer in Zukunft heimlich infiziert und ausgeforscht werden, Mitarbeiter staatlicher Demokratieprojekte sollen geheimdienstlich überprüft werden. „Alles in allem ein schwerer Angriff auf Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechte“, so die Veranstalter der Preisverleihung.
Zu den Gewinnern der „Big Brother Awards“ zählen auch die „Cevisio Software und Systeme GmbH“ aus Torgau, deren Software persönliche Daten der Bewohner von Asylunterkünften speichert, sowie das Unternehmen „Soma Analytics UG“ aus München, dessen Gesundheitsapp „Kelaa“ Telefongespräche von Mitarbeitern abhört. In der Kategorie „PR & Marketing“ gewinnt das Konzept der „Smart Cities“, dem die Jury vorwirft, Städte in „total überwachte und ferngesteuerte“ Gebiete verwandeln zu wollen.