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Neue TV-Serie „4 Blocks“ : Tony wohnt jetzt in Neukölln

Macht „viel über die Augen“, sagt der Regisseur

Wie wichtig ihnen die Authentizität der Serie ist, betonen am Set alle Beteiligten. Und man merkt, dass es ihnen dabei nicht einfach darum geht, dass die Figuren möglichst oft „Alter“ sagen. Sondern eher darum, dass die Schauspieler die Drehbuchsätze der deutschen Autoren im Zweifelsfall in den korrekten Sound der Straße übersetzen (dass sie also zum Beispiel nicht vom „Dope“ sprechen, sondern vom „Material“). Noch wichtiger aber ist, dass viele Schauspieler ihr Leben lang Gelegenheit hatten, den Habitus ihrer Figuren zu studieren. Regisseur Marvin Kren, sagt Ramadan, habe ihnen nahegelegt, „viel über die Augen“ zu machen, und schaut einen dabei so an, dass man sofort versteht, was er meint.

Bitte recht bedrohlich: Das Ensemble von „4 Blocks“ macht etwas her.
Bitte recht bedrohlich: Das Ensemble von „4 Blocks“ macht etwas her. : Bild: Turner Broadcasting

Kaum jemand verkörpert dieses Wissen besser als der Rapper Veysel, der Tonys Bruder Abbas spielt und der schon beim Casting für die Rolle in seinem ersten Film sofort alle umgehauen hat. Und es ist eben nicht allein seine Biographie, der er die Rolle als harter Junge verdankt: Dass Veysel drei Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Gefängnis saß, macht ihn noch nicht zum guten Schauspieler. Authentisch ist vor allem jemand, der eine Rolle besonders überzeugend spielt. Jemandem wie Veysel muss man dabei sicher nicht erklären, dass auf der Bühne, auf der er groß geworden ist, ein Talent zur Selbstdarstellung vielleicht die wichtigste Waffe ist. Für Regisseur Kren liegt in dieser Verflechtung von Fiktion und Wirklichkeit ein besonderer Reiz: Mit Darstellern zu arbeiten, welche Gangster spielen, die Filme nachspielen. Wie jenes Clanmitglied, das den Autoren erzählte, dass er sich regelmäßig „Der Pate“ anschaut. Oder eben wie Ali, der sich „Tony“ nennt, wobei erst einmal offenbleibt, ob er Tony Montana meint oder Tony Soprano.

Ob es ausgerechnet einer Dramaserie gelingen kann, den Zuschauern die Tür zu einer Welt zu öffnen, die viele von ihnen nur aus den Schlagzeilen des Boulevards kennen, das kann man sicher nicht aus den Absichtserklärungen der Beteiligten ableiten, so überzeugend sie auch klingen. Aber immerhin reicht ein Besuch am Set, um erst einmal an das Versprechen zu glauben, das die Gespräche formulieren, der Witz der Schauspieler und die Bilder aus dem ersten kurzen Trailer: Dass es gelingen könnte, eine deutsche Geschichte zu erzählen, die auch Zuschauer in anderen Ländern interessiert, eine Story, die sich auf vier Berliner Blocks beschränkt, aber deshalb noch lange nicht in der Provinz verliert. Stolze vier Millionen Euro lässt sich der Sender die Serie kosten, auch weil er glaubt, dass sie sich international sehen lassen kann. In dem Milieu, in dem es spielt, unter deutschen Rappern und wohl auch bei den Clans, die die Dreharbeiten mitverfolgen, sorgt die Serie jedenfalls schon heute für Gesprächsstoff. Und auch die Debatte über die glorifizierende Wirkung der Serie kann man von weitem fast schon sehen. Dabei könnte ihre Vorbildfunktion vor allem darin bestehen, dass jugendliche Migranten in Neukölln von ihr vor allem eines lernen: Wie attraktiv es sein könnte, den Gangster nur zu spielen.

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