TV-Reportage aus dem Irak : Dem Tod ins Auge sehen
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Auf Beobachtungsposten: Ein kurdischer Kämpfer an der Front vor Mossul im Irak. Bild: ZDF und Ashwin Raman
Im ZDF läuft heute eine spannende Reportage: In „An vorderster Front“ zeigt Ashwin Raman den Kampf der Peschmerga gegen den IS. An Deutschland richten die kurdischen Kämpfer eine Bitte.
Eine Floskel fehlt in Politikerreden und Talkshows nie, wenn es um das Thema Flüchtlinge geht: „Wir müssen mehr zur Bekämpfung von Fluchtursachen tun.“ Das klingt gut, vor allem, wenn man nicht weiter darüber nachdenkt und nicht danach fragt, was es bedeutet, mit welchem Preis, welchen Opfern gar, es verbunden ist. Wie die Bekämpfung von Fluchtursachen aussieht, das zeigt die Reportage „An vorderster Front - Der Krieg gegen den IS“ von Ashwin Raman im ZDF.
Der vielfach ausgezeichnete Reporter ist im Sommer im Norden des Iraks unterwegs gewesen und hat die kurdischen Peschmerga besucht, die härtesten Gegner der IS-Terroristen. „Peschmerga“, sagt Raman, „heißt, die dem Tod ins Auge sehen.“ Das tun die Kämpfer, die er an der Front vor Mossul besucht, jeden Tag. Manche von ihnen kommen aus Deutschland, einige werden von der Bundeswehr ausgebildet, alle eint der Wille, ihre Heimat zu verteidigen und vom „Daesh“, wie der IS hier zu Recht abwertend heißt, zu befreien. Gut ausgerüstet sind sie nicht, die nachgebaute Kalaschnikow kommt vom Basar, der russische Raketenwerfer ist uralt, gegen die gepanzerten Fahrzeuge des IS verfügen die Peschmerga erst seit kurzem über eine brauchbare Waffe - die Panzerabwehrrakete Milan. Vierhundert Stück hat die Bundesrepublik an die kurdischen Peschmerga verteilt.
Amerikanische Special Forces
Deren Kampf gegen Fluchtursachen ist nichts für pazifistische Talkshowrunden aus Berlin. Sie liefern sich Gefechte mit dem IS, werden eingekesselt, brauchen die Amerikaner zur Unterstützung - die nicht nur aus der Luft, sondern auch mit angeblich nicht vorhandenen Bodentruppen anrücken -, halten die Stellung und drängen den IS zurück. Sie verteidigen den christlichen Ort Talesskef und haben die Stadt Sindschar erobert, in welcher die IS-Terroristen Tausende Jesiden ermordet, andere verschleppt haben, Frauen als Sexsklavinnen missbraucht. Wie planvoll die Islamisten vorgehen, sieht Ashwin Raman, als er in von den Peschmerga zurückerobertes Gebiet fährt. Der IS hat Haus für Haus markiert und aufgeschrieben, welcher Religion die Bewohner zugehören: der Terrorstaat sortiert seine Opfer durch.
Inzwischen sind die Peschmerga bis vor Mossul gerückt und warten darauf, die Stadt, eine der letzten Hochburgen des IS, zu erobern. Der kurdische General, den Ashwin Raman besucht, ist schon ziemlich frustriert, weil die Amerikaner und die Iraker sich nicht entscheiden können, wann es losgehen soll. Währenddessen liefern sich seine Kämpfer ein Scharmützel nach dem anderen mit dem IS, dessen Selbstmordattentäter sich nachts an die Stellungen der Kurden heranschleichen. Sie kriechen in Überwürfen heran, die eigens so präpariert sind, dass sie von Wärmebildkameras nicht erfasst werden: „Made by IS“, sagt der kurdische General und grinst, als er den Mantel für Selbstmordattentäter oder Heckenschützen vorführt.
„Sie kämpfen zunächst nur, um zu überleben“, sagt Ashwin Raman, der bei seinen Reportagen auch immer seine eigene Haut riskiert (weshalb ihn die Kurden beim Gang durch ein erobertes Dorf auch zurückpfeifen). Sie träumten zwar auch von einem eigenen Staat, doch das sei eine sehr ferne Hoffnung. Die, wie wir an dieser Stelle anmerken wollen, spätestens von dem anderen Verbündeten der Europäer und Amerikaner vernichtet wird: dem türkischen Präsidenten Erdogan. Wenn er von Terroristen spricht, meint er bekanntlich die Kurden. Angela Merkel, sagt am Ende der Reportage ein Peschmerga, möge ihnen weiter helfen. Wie? „Wir brauchen mehr Waffen. Sonst müsst ihr in ein paar Jahren in euren eigenen Straßen gegen den IS kämpfen.“