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ARD, ZDF und Rundfunkbeitrag : Am Scheideweg

Bild und Ton sind nicht genug, Text soll es sein: Mikrofone bei einer Pressekonferenz Bild: dpa

Die Landesregierungen beraten, wie es mit ARD und ZDF weitergeht. Was dürfen die Sender im Internet? Kommt die Presse zu ihrem Recht, haben Urheber ein Auskommen? Nicht weniger als eine Neuordnung des Rundfunks steht an.

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          Wenn sich heute und morgen die Chefs der Staatskanzleien und dann die Ministerpräsidenten treffen, haben sie ein Thema auf der Tagesordnung, das inzwischen fast schon beiläufig behandelt wird, dabei ist es von grundlegender Bedeutung. Es geht um den Rundfunkstaatsvertrag. Es geht um die Frage, was der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umfasst und was nicht und – wie viel Geld den Beitragszahlern für die Anstalten abgenommen wird. Mit anderen Worten: Es geht um die Ordnung (oder Neuordnung) des Rundfunks, die sich auf die gesamte Medienlandschaft und den Medienmarkt auswirkt. Es geht um öffentlich-rechtliche und private Sender, um Presseverlage, um Produzenten und Urheber, um Rechte, Kosten und Investitionen. Kurzum: Es geht um alles.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Geht es nach den Wünschen der öffentlich-rechtlichen Sender, erhalten sie (noch) mehr Geld und freie Hand bei allen ihren Aktivitäten, vor allem im Internet. Sie wollen online unbegrenzt Programme vorhalten und die Beschränkung loswerden, die mit dem Begriff „presseähnlich“ bezeichnet wird. Noch dürfen ARD und ZDF im Netz keine Angebote machen, die denen der Presseverlage gleichen wie ein Ei dem anderen. Das wurde auf Klage einiger Verlage (darunter der Verlag dieser Zeitung) auch bis zum Bundesgerichtshof am Beispiel der „Tagesschau“-App bestätigt, wird vom Norddeutschen Rundfunk aber nun mit einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen.

          NDR zieht blank

          Der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm hatte zuletzt, wie seine Vorgängerin Karola Wille vom MDR ebenfalls, auf Zeichen der Verständigung in der Frage gesetzt, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die unabhängige Presse auf das heftigste entzweit. Die Presse muss mit ihren Angeboten im Internet Geld verdienen, was ihr ein scheinbar kostenloses, in Wahrheit aber von allen per zwangsweise erhobenem Rundfunkbeitrag finanziertes Textprogramm von ARD, ZDF und Deutschlandradio extrem erschwert. In dieser Frage zieht der NDR also nun blank und will es wissen. Das Bundesverfassungsgericht bekommt so zum zweiten Mal die Gelegenheit, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie weit der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen zur „Grundversorgung“ reicht. Mit dem Rundfunkbeitrag befassen sich die Verfassungsrichter, auf zahlreiche Beschwerden hin, schon gesondert.

          Augen auf bei der Senderwahl: Beim Sport sind ARD und ZDF stets vorne dabei.
          Augen auf bei der Senderwahl: Beim Sport sind ARD und ZDF stets vorne dabei. : Bild: dpa

          Den Ministerpräsidenten, die in Fragen der Medienpolitik das Sagen haben, ist es nun aufgegeben, das Verbot der „Presseähnlichkeit“ zu erneuern oder es fallenzulassen. Dem Vernehmen nach stehen die Zeichen auf eine – abgeschwächte – Verlängerung der Regelung im „Telemedienauftrag“ von ARD und ZDF. Wobei die Trickserei, mit der ein Sender wie der NDR diese Auflage erfüllt, sich wohl fortsetzen dürfte. Es gibt in Reihen der ARD einige, die es herzlich wenig zu kümmern scheint, ob die Presse noch ein Auskommen findet. Um das Auskommen und Überleben geht es aber beim Rundfunkstaatsvertrag auch für Produzenten, Dokumentarfilmer und Urheber. Denn ihre Rechte werden, wenn ARD und ZDF ihre Programme in den Mediatheken ohne jedwede Beschränkung vorhalten dürfen, weniger bis gar nichts mehr wert, worauf an dieser Stelle Thomas Frickel, der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) hingewiesen hat. Fallen soll, danach sieht es den Vorverhandlungen der von den Bundesländern gebildeten Rundfunkkommission, in der die Staatskanzleichefs und Medienreferenten sitzen, zufolge aus, die sogenannte „Sieben-Tage-Regel“. Sie besagte einst, dass ARD und ZDF ihre Angebote nur für eine bestimmte Zeit ins Netz stellen dürfen. De facto ist die Regelung längst außer Kraft gesetzt worden: In den Mediatheken finden sich Tausende von Beiträgen, die zum Teil vor Jahren erstmals gesendet worden sind. Verfügen die Sender allerdings nicht allein über die Rechte, wie das bei etlichen Film- und Dokumentarproduktionen der Fall ist, gibt es zeitliche Beschränkungen, die es den Urhebern und Produzenten ermöglichen, ihre Werke weiter zu vermarkten. Auf die Erlöse dieser Vermarktung sind sie angewiesen.

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