TV-Film „Der weiße Äthiopier“ : Oh, wie schön ist Afrika
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Ein Herz und eine Seele: Jürgen Vogel und Sayat Demissie spielen ein glückliches Paar. Bild: ARD Degeto/WDR/MOOVIE/Yidnekache
Die ARD inszeniert eine Kurzgeschichte von Ferdinand von Schirach als kitschige Flüchtlingsfabel: „Der weiße Äthiopier“ ist ein schwacher Film mit einer starken Botschaft.
Ferdinand von Schirach ist einer der besten Plot-Dealer der Branche. Seine Bücher enthalten den reinen Stoff. Obgleich sie stilistisch ausnehmend schlicht sind, wird man schnell süchtig nach diesen „wahren“ Geschichten. „Wahr“ ist laut Auskunft des Autors im Sinne von „wahrhaftig“ gemeint; man kann wohl auch „gut erfunden“ sagen. Wie sehr sich von Schirachs „Stories“ als Drehbuchvorlagen eignen, ist erwiesen. Der Produzent Oliver Berben, der schon zwölf (plus vier abgedrehte) Kurzgeschichten aus den Bänden „Verbrechen“ und „Schuld“ für das ZDF, die Erzählung „Glück“ etwas glücklos fürs Kino sowie das Theaterstück „Terror“ für die ARD hat verfilmen lassen, verantwortet auch die neuste Schirach-Umsetzung. Diesmal führt die Vertiefung in die tragische Vorgeschichte eines Bankräubers zu einer erstaunlichen Neubewertung seiner Schuld.
Mit seiner geradezu offensiven Rührseligkeit hat der Film eine andere Tonlage als die bisherigen Fernsehepisoden. Zudem wurde die übersichtliche Handlung auf neunzig Minuten gestreckt: Wo die Erzählung „Der Äthiopier“ lakonisch kurz ist, wird „Der weiße Äthiopier“ langatmig. Auch die betuliche Regie von Tim Trageser unterscheidet sich von den flotten, formal gewagteren Adaptionen im ZDF. Das alles mag jedoch wenig ins Gewicht fallen, wenn man den Film unter Maßgabe eines besonderen Genres wahrnimmt: als märchenhaften Weihnachtsfilm. Drei Tage vor Heiligabend ist eine Feier der Barmherzigkeit, bei der sich alle Figuren als herzensgut herausstellen und die ganze Welt umarmt werden könnte (so in etwa wird das auch gesagt), vielleicht einmal erlaubt. Zumal Jürgen Vogel als Darsteller der in sich verschlossenen Hauptfigur Frank Michalka seine Sache überzeugend macht.
Der notorische Verlierer sieht nur einen Ausweg
Dankbar sein darf man für einen Perspektivwechsel in der Flüchtlingsthematik: Hier ist es der notorische Verlierer Frank, der sich nach einem unaufhaltsamen Abstieg nur noch mittels eines Banküberfalls und der Flucht ins ferne Ausland zu helfen weiß. Addis Abeba sagt ihm nichts, aber es scheint weit genug weg zu sein. Auch in Äthiopien lässt er sich treiben und landet in einem kleinen, urtümlichen Dorf, wo ihm die Bewohner mit unvoreingenommener Freundlichkeit begegnen. So sieht Willkommenskultur aus. Freilich gibt es Ausnahmen, der Dorfvorsteher und ein Nebenbuhler haben ihre Zweifel, aber das wird durch die Zuneigung der schönen Ayantu (Sayat Demissie) locker aufgewogen. Frank hat also endlich eine Heimat gefunden, arbeitet auf der Kaffeeplantage mit, stottert nicht mehr, wobei er nun ohnehin meist Amharisch spricht. Hochzeit und Vaterschaft steht nichts mehr im Weg.
Bei der nah am Ethno-Kitsch gebauten Glücksfabel – schöne Farben, lachende Menschen, bezaubernde Sonnenuntergänge – handelt sich freilich um die in Rückblicken erzählte und ziemlich simpel bebilderte Binnenhandlung, die dem Gericht erklären soll, warum der Angeklagte, der nach einer Visumsüberprüfung nach Deutschland überstellt wurde, um seine Haftstrafe zu verbüßen, beim ersten Freigang wieder eine Bank überfiel: Mit dem Geld wollte er zurück zu Frau und Kind. Die Rolle des harten, aber herzlichen Pflichtverteidigers hat Thomas Thieme inne, der sie ohne besondere Höhepunkte herunterspielt. Schon nerviger ist die hinzuerfundene Figur der naiven, überengagierten Referendarin (Paula Kalenberg), die mit Lämmchenblick und Sensibilität das Vertrauen des prompt wieder stotternden Michalka gewinnt.
Die rousseauhafte Idealisierung Äthiopiens unter Ausschluss aller politischen und ethnischen Konflikte sei zugestanden: Wir nehmen ja die Perspektive Franks ein. Auch die Eindimensionalität des afrikanischen Personals (die gute Fee, der kluge Arzt, der dumme Macho) mag dem Umstand geschuldet sein, dass Drehbuchautor Heinrich Hadding ein Märchen im Sinn hatte. Dass der Protagonist in seinem Paradies nicht einfach glücklich werden darf, sondern gleich die Zivilisation bringen muss – mittels selbstgebauter Maschinen und optimierter Abläufe verschafft er dem Dorf ein Vielfaches an Einkünften –, das hat einen leicht kolonialistischen Beigeschmack. Nach der finalen Volte des Verteidigers geht die Handlung vollends in Tränen der Rührung unter, selbst das deutsche Strafrecht lässt Fünfe gerade sein. Ein schwacher Film mit einer starken Botschaft: Am Ende zählt am Menschen das Menschliche. In Tagen wie diesen ist das vielleicht wichtiger als alles andere.