Rundfunkbeitrag : Komisch, wo all die Milliarden herkommen
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Unabsichtlich Milliarden kassieren? Die Öffentlich-Rechtlichen verdienen durch den Rundfunkbeitrag deutlich mehr als geplant. Bild: Picture-Alliance
Wussten ARD und ZDF nicht, wie sehr der neue Rundfunkbeitrag ihnen den Säckel füllt? Wir werfen einen Blick auf die Finanzplanung. Und siehe da: Der Geldsegen hat sich abgezeichnet.
Das konnte niemand wissen, das hat niemand geahnt: Fragt man nach den Mehreinnahmen, die ARD und ZDF durch den Rundfunkbeitrag haben, der seit dem 1. Januar 2013 gilt, geben sich Vertreter der Anstalten wie Medienpolitiker gern unbescholten und erwecken den Anschein, so sei es gar nicht gewollt gewesen - dass die Öffentlich-Rechtlichen innerhalb einer Gebührenperiode von vier Jahren rund 1,5 Milliarden Euro mehr kassieren als gedacht.
„Aufkommensneutral“ sollte es sein, also ARD, ZDF und Deutschlandradio den Bestand von rund 7,5 Milliarden Euro pro Jahr sichern - nur aus der Gebühr, die Werbeeinnahmen kommen noch hinzu. Doch dann kam der große Meldedatenabgleich - die größte Vorratsdatenspeicherung der deutschen Geschichte, gegen die sich kaum Protest regte -, und siehe da: Die Zahl der Beitragszahler wuchs exorbitant. 3,6 Millionen neue Beitragskonten wurden eröffnet, wie es der SWR-Justitiar Hermann Eicher an dieser Stelle (F.A.Z. vom 7. Mai) beschrieben hat.
Die wundersame Geldvermehrung
Das hat die Sender wohl in der Tat - positiv - überrascht, wie der Blick in die interne Finanzrechnung des „Beitragsservice“, der früher GEZ hieß, zeigt. Im März 2013 rechneten die Anstalten noch mit mehr oder weniger gleichbleibenden Einnahmen (siehe Abbildung), im Sommer des vergangenen Jahres war das dann anders: Da planten die Sender mit 1,189 Milliarden Euro mehr. Abgezeichnet hatte sich das freilich schon vorher. Die für die Gebühren zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs war zum Jahreswechsel 2013/2014 mit der gesicherten Schätzung hervorgetreten, dass es einen Gebührenzuwachs von 1,15 Milliarden Euro, gerechnet auf vier Jahre, geben werde. Eine Hochrechnung des Beitragsservice ging dann sogar von Mehreinnahmen von 1,89 Milliarden Euro aus. Bei 3,868 Milliarden Euro mehr landet man mit Blick auf den Zeitraum von 2013 bis 2020 - eine schöne Stange Geld.
Bei der Genese der wundersamen Geldvermehrung sollte man allerdings im Blick behalten, dass dies von Beginn an sehr wohl beabsichtigt war. Wie sagte der damalige Geschäftsführer der GEZ, Hans Buchholz, vor dem Medienausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags im Sommer 2011? Die Ministerpräsidenten hätten vorgegeben, das Beitragsaufkommen um ein Prozent zu steigern, 400 000 Betriebe und 200 000 Kraftfahrzeuge seien neu „in den Bestand zu heben“. Dafür würden 69 Millionen Datensätze der Einwohnermeldeämter abgeglichen und 23 Millionen Briefe verschickt. 2,3 Millionen Gebührenzahler hätten bislang nur die Radiogebühr entrichtet und sollten nun voll zahlen. Von 800 000 Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen befreit waren, würden künftig zwei Drittel zur Kasse gebeten. Das sollte sich auszahlen.
Klagen massenhaft abgewiesen
Bei ARD und ZDF spricht man in diesem Zusammenhang von einer neuen „Beitragsgerechtigkeit“. Für gerecht kann man dies allerdings nur halten, wenn man der Grundannahme folgt, dass jeder für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen muss, ganz gleich, ob er die Sender empfangen kann oder will. Wer früher die Radio- oder Computergebühr zahlte, weil er den Fernseher scheute, wird die plötzlich für ihn aufs Dreifache angeschwollene Zwangsabgabe von 17,98 Euro höchstwahrscheinlich nicht gerecht finden. Von den vielen Behinderten, die zuvor vom Beitrag befreit waren und es jetzt nicht mehr sind, ganz zu schweigen. Und nicht zu reden von den sozialen Härtefällen und von den staatlichen Einrichtungen (Kindergärten, Kitas), die beitragspflichtig sind. Oder von Filialbetrieben und Autovermietern, die überproportional belastet sind. In all diesen Fällen stellt sich die Sinnfrage. Wobei wir ja wissen, worin der Sinn des Ganzen besteht: ARD und ZDF, die unter Pensionsrückstellungslasten ächzen, fürs Programm aber heute nicht mehr aufwenden als früher, ein gesichertes Einkommen auf höchstem Niveau zu sichern. Unter dem Label „Gerechtigkeit“ verkauft sich so etwas selbstverständlich am besten.
Wer dagegen grundsätzliche Einreden hatte, wurde von den Landesverfassungsgerichten in Bayern und Rheinland-Pfalz eines Besseren belehrt, die sich in ihren Urteilen zum Rundfunkbeitrag nicht lange mit der Frage aufgehalten haben, ob ein Beitrag für etwas, das man nicht will oder nicht nutzt, überhaupt ein Beitrag ist. Sie halten die schiere Möglichkeit, ARD und ZDF zu empfangen, für ein so hohes Gut, dass weitere juristische Erwägungen ausbleiben. Die Verwaltungsgerichte halten sich an die Vorgabe: Klagen gegen den Rundfunkbeitrag werden in diesen Tagen und Monaten massenhaft abgewiesen. Die Frage ist, was mit dem nur scheinbar überraschenden und ganz und gar nicht unerwünschten Geldzuwachs geschieht. Zurzeit kommen ARD und ZDF an das 1,5-Milliarden-Euro-Plus nicht heran. Doch ist durchaus anzunehmen, dass ihnen die Rundfunkpolitiker der Bundesländer, in denen in dieser Frage eine große schwarz-rot-grüne Koalition herrscht, den Weg ebnen. Mit der Reduzierung des Monatsbeitrags von 17,98 Euro auf 17,50 Euro, die am 1. April in Kraft trat, geben die Ministerpräsidenten den Beitragszahlern gerade einmal rund ein Drittel der Mehreinnahmen zurück. Die Äußerungen von Intendanten, die besagen, dass man angesichts dieser Finanzlage 2017 eventuell großzügig auf die nächste Beitragserhöhung verzichten könne, zeigen ebenfalls an, wohin der Hase laufen dürfte: Wer hat, der hat. Und behält es.