„Tödliche Geheimnisse“ : Wer skrupellos ist, sollte dabei eine gute Figur machen
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Auch ganz in Weiß und hochschwanger zieht sie die Fäden: Katja Riemann als Erzschurkin Lilian Norgren Bild: ARD Degeto/Wiedemann & Berg/Anik
Die ARD weiß, wie man einen Thriller überfrachtet: „Tödliche Geheimnisse“ will die ganze Welt verbessern. Dagegen kommt auch die vielversprechende Besetzung nicht an.
Ihre Finten übt Lilian Norgren (Katja Riemann), Chefin des Pharmariesen Norgreen Life, am liebsten mit Tochter Tessa (Paula Beer) ein. Der Fechtboden ist ihr Biotop. Wenn er dann noch in ihrem neu erworbenen mecklenburgischen Schloss, umgeben von lauter tiefschwarz-fetten Schollen, liegt: kaltes Herz, was willst du mehr? Auf die Eleganz des Betrügens kommt es an, so erzieht sie ihre Tochter. Skrupellosigkeit muss bella figura machen. Die Pläne zur Übertölpelung von Regierungen, der EU-Kommission, Forschern und im Grunde der gesamten Bevölkerung der sogenannten Dritten Welt sollen nicht nur brillant konstruiert, sondern auch ästhetisch herausragend sein. Mord wird als schöne Kunst betrachtet.
Katja Riemann spielt die Megaschurkin Norgren in Florian Oellers (Buch) und Sherry Hormanns (Regie) Wirtschafts- und Politthriller „Tödliche Geheimnisse“ als veritable James-Bond-Gegnerin. Im Ersten war der im November 2016 gezeigte erste Film am Donnerstag als Wiederholung zu sehen. Vermutlich, damit man nun in der Lage ist, all die Themen, Stränge und Entwicklungen zu sortieren, die die wieder von Gabriela Sperl für Wiedemann & Berg produzierte Fortsetzung vor der Kulisse des Tafelbergs, in James-Bond-würdigen Strandvillen und bitterarmen afrikanischen Dörfern darlegt.
Zu viele Themen überfrachten den Film
Unter der Weltherrschaft tut Norgren, jetzt hochschwanger, es auch im zweiten, in Südafrika und im Kongo spielenden Film „Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt“ nicht. Sie ist das Florett unter säbelschwingenden und unbewaffneten Gegnern. Fast überflüssig, denn dieses Mal haben ihr die Vertreterinnen der vierten Gewalt, die inzwischen geschasste Chefredakteurin des Politmagazins „Puls“, Karin Berger (Anke Engelke) und ihre investigative Starreporterin Rommy Kirchhoff (Nina Kunzendorf) wenig eigenes Spiel entgegenzusetzen.
Sie sind vor allem Funktionsträgerinnen, wogegen Engelke und Kunzendorf tapfer und erfolgreich anspielen. Was unmöglich ist, angesichts der Themenüberfrachtung: Es geht um die internationalen Verflechtungen eines tödlichen Komplotts, die Kollateralschrecken der Globalisierung, des Freihandelsabkommens TTIP und die Schäden, die manipuliertes Saatgut und hochgiftige Pflanzenschutzmittel verursachen. Die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der maßgeschneiderten Gentherapien gegen Krebs spielen eine Rolle, die Machenschaften des Pharmakonzerns Norgreen Life, die Abgründe eines Silicon-Valley-Milliardärs, der Altruismus eines Krebsforschers, dem Frau und Kind gestorben sind, und die fragwürdige Erprobung neuer Medikamente an armen Menschen in Afrika.
Viel globalisierungskritisches Herzblut
Ohne beständige Handreichungen wäre der Zuschauer verloren. Thriller, die wirtschaftliche und politische Themen und ihre gesellschaftliche Relevanz in Beziehung setzen, sind wahrlich rar im deutschen Fernsehen. Allein den Mut, in einem fiktionalen Spielfilm ein Thema wie TTIP darzustellen, möchte man gern würdigen. Man sieht dem Film ja an, wie viel globalisierungskritisches Herzblut in ihm steckt. „Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt“ will ein James-Bond-Thriller mit Mehrwert sein. Aber der Berg, an dem Florian Oeller sich abarbeitet, ist einfach zu groß.
Resultat: Den Figuren geht, bis auf Riemann, die Komplexität flöten. Benjamin Sadler als Krebsforscher Professor Schwarz, der in einem Kongo-Dorf mit der Ärztin Dr. Soto (Bonnie Mbuli) als Wiedergeburt Albert Schweitzers Kranke heilt, darf das selbstlose Gute verkörpern, der Mitschurke und Ex-Geliebte Lilian Norgrens, Paul Holthaus (Oliver Masucci), muss als Entführter im Strandhaus Koberinderfilets streicheln, um der schmachtenden Verbrecherin seine Prioritäten zu demonstrieren. Sein Sohn Max (Leonard Scheicher) heftet sich an die Fersen der Journalistin Rommy und hilft beim Aufklärungsspiel, hat aber sonst nichts zu melden. Internetunternehmer Larry Jordan (Francis Chouler) schiebt lässig die Milliarden hin und her. Norgrens entfremdete Tochter Tessa ist die Einzige, für die keine Funktion übrig war, lebt dafür aber als Barrista in Monterey, Kalifornien, und geht am Strand spazieren. Der Pazifik, der hat was.
Südafrika, Kalifornien und andere Schauplätze: die Vermittlungsstrategie des Films ist aller Ehren wert, klappt aber nicht besonders gut. Der Trockenheit des Themengeflechts wird die optische Opulenz der Schauplätze entgegengesetzt. Da brechen sich die Wellen an den Stränden, der Tafelberg thront, die Natur prunkt im Bild (Kamera Armin Golisano), kurzum: die Überwältigung des weltumspannenden Megaverbrechens wird mit der Überwältigung der Naturschönheiten kontrastiert. So etwas kommt vor: Die Besetzungsliste des Films ist vielversprechend, das Thema groß, alle steuern ihr Bestes bei, und trotzdem ist das Resultat mau. Man erspare uns einen dritten Teil.
Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt. Am Samstag um 20.15 Uhr im Ersten