Serie über die Pornoindustrie : Das kälteste Gewerbe der Welt
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Sie nimmt es mit der Branche auf, und das ist gefährlich: Hayley Burrows (Hayley Squires). Bild: Endemol Shine UK/Fifty Fathoms/T
Endstation Kunstprodukt: „Nur für Erwachsene“ ist eine so gewitzte wie dramatische und wie nachdenkliche Seifenoper aus dem Pornofilm-Metier.
Verkaufen ist die halbe Miete. Manchmal auch die ganze, so wie bei Hayley Burrows (Hayley Squires). Und was sie mit viel Erfolg verkauft, sind Phantasien, allerdings – zu ihrem Bedauern – nicht sonderlich ausgefeilte, auch wenn das einmal anders war. Hayley, gern unterwegs im pinkfarbenen Tussimobil, ist emanzipierte Pornodarstellerin: schlagfertig, selbstbewusst, Mutter, Freiberuflerin, schön. Künstlername: Jolene Dollar, ein Star in der Szene.
Eine Familie bekommt Hayley augenscheinlich gut kombiniert mit ihrem Job, dessen genauer Inhalt freilich nur der ältesten Tochter Phoebe (Alex Jarrett) bewusst ist. Aber dass die Zeit des „plot driven porn“ vorbei ist, muss sie akzeptieren. Gefragt sind Spitzenleistungen und Transgressionen. Hayleys Ehemann Rich (Joe Dempsie) agiert als eine Art Manager, der spezielle Videowünsche verwaltet und in ihrem Namen Jolenes verschiedene soziale Bezahlkanäle mit Lustschreiberei füllt.
Die phantastisch besetzte britische Miniserie „Adult Material“ (im Deutschen lahmer: „Nur für Erwachsene“) erhielt vier BAFTA-Nominierungen, und die Hauptdarstellerin wurde 2021 mit dem International Emmy ausgezeichnet. In puncto Verkaufen setzt die ARD allerdings vor allem auf die ethische Komponente der Handlung, immerhin gerät Jolene in einen Konflikt mit der eigenen Branche: „Ihre mutige Auflehnung gegen kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, gesellschaftlich geduldeten Machtmissbrauch und die eigenen Ohnmachtsgefühle steht in der besten Tradition britischer Sozialdramen.“ Das ist schon irgendwie richtig, aber auch verklemmt und abschreckend, zumal es den Geist der Serie in keiner Weise einfängt. Man denkt nun eher – und von der ARD auch explizit darauf gestoßen – an Ken Loachs Film „Ich, Daniel Blake“ (2016), in dem Hayley Squires ebenfalls eine Frau spielt, die sich prostituiert: allerdings aus nackter Not heraus, als ihr Gatte nach einem Herzinfarkt durchs Raster des Sozialsystems fällt.
Die durchweg von Frauen realisierte Channel-4-Serie – Buch: Lucy Kirkwood; Regie: Dawn Shadforth; Produktion: Anna Goodridge, Sara Hamill – geht im Empörungsgestus nicht auf, sondern liefert gewitzte Dramaunterhaltung, ohne dass von vornherein festgelegt wäre, wer hier wen ausnutzt. Die Ausgangslage erinnert sogar ein wenig an eine der besten Edel-Soaps der letzten Jahre, die beglückende Serie „Nashville“ über eine alternde Country-Virtuosin, die sich mit einer jungen, aufstrebenden Konkurrentin zu arrangieren hat. Auch in Kirkwoods Erzählung taucht gleich zu Beginn die entschlossene Tänzerin Amy (Siena Kelly) auf, die Hayleys Beschützerinstinkt weckt, allerdings keineswegs nur das. Beim Anblick der jungen Kollegin/Rivalin wird ihr wieder bewusst, wie eisenhart der Jugendkult in dieser Branche ist („Wir brauchen eine grünere Banane“). Mit 33 Jahren – „Zum Glück gibt es Botox“ – steht Hayley kurz davor, selbst als „MILF“ an Anziehung zu verlieren.