„Fake News“ vor Gericht : Ein Mann gegen Facebook
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„Vielleicht bin ich zu harmoniesüchtig“, sagt Chan-jo Jun. Im Verhältnis zu Facebook gilt das wohl eher nicht. Bild: Frank Röth
Chan-jo Jun kämpft gegen Hassäußerungen auf Facebook. Bisher hatte er juristisch keinen Erfolg. Am Montag geht es vor Gericht um verleumderische „Fake News“. Hausbesuch bei einem Hartnäckigen.
Wenn man den Anwalt Chan-jo Jun in seinem Würzburger Büro fragt, was ihn dazu bewogen hat, die Sisyphusarbeit aufzunehmen, gegen Hassäußerungen und Verleumdung auf Facebook vorzugehen, erhält man gleich mehrere Antworten. Er habe in Erfahrung bringen wollen, ob auch für Facebook deutsches Recht gelte, ist eine davon, seine taktischste. Eine andere, die er in einem Video auf seiner Homepage ins Spiel bringt, lautet, dass er in einem Land groß geworden sei, in dem die öffentliche Bedrohung von Ausländern in Massenmedien nicht denkbar gewesen wäre, und dass er dazu beitragen möchte, diesen Zustand wieder herbeizuführen. Und mit diesem Land meint er nicht, wie er im Video sagt, Südkorea, aus dem seine Eltern stammen, sondern das Deutschland, in dem er vor 42 Jahren im niedersächsischen Verden geboren wurde.
Als Anwalt habe er geschworen, sagt er im Video, das Grundgesetz zu verteidigen, und dem wolle er angesichts des Hasses, der gegen Flüchtlinge in sozialen Medien geschürt wird, nachkommen. Er selbst sei als Migrant niemals angefeindet worden, fügt er im Gespräch hinzu. Das liege aber vielleicht nur daran, dass asiatisch aussehende Menschen oft als Mustermigranten gälten. Wenn er in hundert Mails nur zweimal übel beschimpft werde, gewinne er dem sogar etwas Positives ab, sagt Jun. Im Lebenslauf auf seiner Homepage erwähnt er eher selbstironisch, dass ihn ein Gegenanwalt einmal als „Frühlingsrolle“ bezeichnet habe. Anschließend musste dieser 2000 Euro Geldbuße zahlen. Das Signal ist klar: Mit Rechtsanwalt Jun legt man sich besser nicht an.
Jun kämpft gegen Facebook wie kaum ein zweiter Deutscher
Unbedingt vermeiden will er den Eindruck, dass er sich mit Facebook ausschließlich aus Gründen der Selbstvermarktung streite. Macht man ihn darauf aufmerksam, dass er doch für eine gute Sache kämpfe und ein gesundes Ego für einen Anwalt nicht als ehrenrührig gilt, antwortet er: „Vielleicht bin ich zu harmoniesüchtig.“ Aber vielleicht ist es auch so, dass selbst Jun, der deutschen Politikern vorwirft, sie kuschten vor Facebook, zumindest ein klein wenig mit dem Facebook-Virus infiziert ist, der sich scheinbar unaufhaltsam mit der respekteinflößenden Botschaft ausbreitet: Wer gegen das mächtigste soziale Netzwerk der Welt ist, ist gegen Transparenz, Offenheit, Innovation und wird von fast zwei Milliarden zufriedenen Kunden widerlegt. Doch andererseits bekämpft Jun dieses Virus wie kaum ein zweiter Deutscher. Seit einem Jahr arbeitet er Vollzeit an diesem einen Fall: Facebook.
Ein Kollege habe ihm einmal vorgeworfen, dass er wohl zu viel Zeit habe, da er sich ausgerechnet mit Facebook anlege. Darauf habe er für einen kurzen Moment gedacht: „Er hat recht.“ Damals habe er das Gefühl gehabt, in seinem Beruf fast alles erreicht zu haben. Nach dem besten Referendarexamen seines Jahrgangs an der Uni Würzburg war er Unternehmensberater für McKinsey, wurde selbständiger Anwalt und baute eine Kanzlei mit festem Kundenstamm in der Industrie auf. Acht Anwälte und drei Sekretärinnen arbeiten heute für Jun. Aber er, der sich auf IT- und Wirtschaftsrecht spezialisiert hatte, war in ein Stadium der Routine geraten. Wahrscheinlich habe er tatsächlich nach einer Herausforderung gesucht, nach einer, bei der es um Grundsätzliches geht, sagt er.