
Griezmanns Torjubel : Siegereiertanz
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Hat sich nur teilweise im Griff: Antoine Griezmann bei seinem Torjubel im Finale der WM 2018. Bild: AFP
Wer bisher auch nur ein wenig Gespür für Sportsgeist oder Fairness hatte, der verbeugt sich vor seinem Gegner: Wie Antoine Griezmann im Torjubel den Gegner verhöhnte.
Der Mann hat vielleicht Nerven, „Classe“ eher nicht. Nachdem Antoine Griezmann im Finale dieser Weltmeisterschaft einen fragwürdigen Hand-Elfmeter ins Tor der Kroaten geschlenzt hatte, lief er für den Torjubel zur Eckfahne. Er hob die rechte Hand an die Stirn und formte mit Daumen und Zeigefinger ein „L“, während er von einem Bein auf das andere hampelte. Das „L“ steht für Loser, Verlierer.
Eine Milliarde Menschen schaute ihm weltweit zu. Mindestens 996 Millionen Zuschauer fragen sich: „Was soll das Gehampel?“ Etwa vier Millionen Eingeweihte dürften den Franzosen jedoch für seine Tanzeinlage feiern: die Spieler des Videospiels „Fortnite“. Denn was Griezmann – er ist, wie er selbst sagt, großer Fan des Spiels – vorführte, ist ein sogenanntes „Emote“. In diesem Fall der „Take the L“-Jubel, den die Fortnite-Spielfiguren auf eine Tastatur-Eingabe hin aufführen – meist, wenn sie einen Gegner erledigt haben. Verhöhnende Siegesgesten von Videospiel-Avataren haben Tradition, seit Spieler sich via Internet gegenseitig aufs Korn nehmen.
Und während diese Art von kompetitiven Videospielen immer stärker als Sportereignis vermarktet werden soll, halten die hohlen Gesten der digitalen Marionetten Einzug in den Profisport. Allerorten – im Fußball, beim American Football, beim Baseball und beim Basketball zitieren Athleten neuerdings Videospiel-„Emotes“.
Wir freuen uns schon auf den Moment, wenn der Schachmeister Magnus Carlsen den „Boneless“-Tanz (ebenfalls Fortnite) aufführt und die Dressurreiterin Isabell Werth ihr Pferd mit einbezieht. Warum nicht. Dabei gilt für den Video- wie für den Fußballspieler doch dieselbe ungeschriebene Regel: Wer bisher auch nur ein wenig Gespür für Sportsgeist oder Fairness hatte, der verbeugte sich („/bow“) vor seinem bezwungenen Gegner und verhöhnt ihn nicht. Besser, man nimmt sich jemanden wie Harry Kane zum Vorbild. Sieger tanzen nicht.