TV-Kritik „Anne Will“ : Kommen als Nächstes Kampfflugzeuge?
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Gewohnt kenntnisreich und angenehm zurückhaltend: Der Militärexperte Professor Carlo Masala während der Sendung „Anne Will“ am 29. Januar 2023 Bild: NDR/Wolfgang Borrs
Raus aus dem militärischen Tunnel, ran an den Verhandlungstisch? Bei „Anne Will“ streiten sich Experten mit Politikern über die richtige Strategie und rote Linien.
Auf einem Wahlplakat von Annalena Baerbock für die Bundestagswahl 2021 stand der Slogan: „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“. Im Hintergrund flog eine Friedenstaube auf, im Vordergrund prangte der notorische Imperativ: „Bereit, weil ihr es seid“. Bereit dazu, Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in das Kriegsgebiet der Ukraine zu liefern, sind nach letzten Umfragen knapp mehr als die Hälfte aller Deutschen. Nicht dazu bereit, die alten pazifistischen Parolen zu vergessen, ist die andere Hälfte.
Hinter sie verschanzt sich bei der abendlichen Debattensendung von Anne Will die Parteivorsitzende der Linken Janine Wissler. Ihre größte Sorge: Immer mehr Waffenlieferungen könnten die militärische Eskalation über die Ukraine hinaus führen, also auch uns und andere westliche Länder betreffen, im schlimmsten Falle sogar einen Dritten Weltkrieg auslösen. Daher gebe es aus ihrer Sicht nur eine Lösung: Raus aus dem militärischen Tunnel, ran an den Verhandlungstisch.
Die Krim zurückerobern?
Wunderbare Idee, entgegnet die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband lakonisch, nur würde das bedeuten, dass der Konflikt eingefroren, die Linie eines etwaigen Waffenstillstands mithin die neuen Grenzen ihres Heimatlandes wären, Russlands Überfall also mit beträchtlichen Geländegewinnen belohnt würden. Weisband nutzt ihren Auftritt auch, um gegen die Bundesregierung und insbesondere gegen Bundeskanzler Olaf Scholz zu wettern. Der habe niemals deutlich gemacht, was das eigentliche Ziel seiner Ukraine-Politik sei. Gehe es wirklich darum, die territoriale Integrität des Landes wiederherzustellen? Die Krim zurückzuerobern? Oder nicht viele eher darum – so Weisbands einigermaßen verstörende Theorie –, dass der Krieg möglichst lange dauern solle, um Russland zu schwächen?
Rhetorisch gewohnt provokationsbereit setzt Weisband sogar noch eins drauf: „Die Ukraine bekommt zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben.“ Die westliche Welt scheine zu akzeptieren, dass ihr Heimatland langsam ausblute. Angesichts der schieren Menge an Kriegsmaterial, das gerade in die Ukraine geschafft wird, scheint das eher eine unwahrscheinliche Unterstellung. Auf sichererem Terrain bewegt sich Weisband wieder, als sie der deutschen Regierung mit Blick auf Waffenlieferung einen fluiden Standpunkt vorwirft: „Wir begründen ständig, warum wir etwas nicht schicken können, um es dann doch zu schicken“.
Dagegen muss nun Kevin Kühnert, SPD Generalsekretär und Scholz-Vertrauter der eher zweiten Stunde, aufbegehren. Von Anfang an habe der Kanzler die Prinzipien seiner Entscheidungsfindung offengelegt: Bündnistreue und Risikoteilung hätten an erster Stelle gestanden. Er habe nie etwas ausgeschlossen, was er später doch zugestehen musste, „rote Linien“ habe Olaf Scholz nie gezogen.
Dazu schweigt Kühnert
Einspruch von Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Nur wenige Wochen nach dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges habe Olaf Scholz in einem „Spiegel“-Interview sehr wohl erklärt, dass die Lieferung von Kampfpanzern zur Eskalation führe und deshalb ausgeschlossen sei. Dazu schweigt Kühnert.