Amerikas TV-Serie „Masters of Sex“ : Als noch alle glaubten, was Freud glaubte
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Aufnahme läuft: Dr. William Masters (Michael Sheen) und Virginia Johnson (Lizzy Caplan) werten die Ergebnisse ihrer Forschung aus Bild: AP
Was soll man von einer Serie erwarten, die „Masters of Sex“ heißt? Wohl nicht das, wofür sich die Kritik in Amerika durchaus begeistert: Die Geschichte von Dr. William Masters und Virginia Johnson.
Was man schon immer über Sex wissen wollte, aber nie zu fragen wagte, kann man womöglich von der neuen Showtime-Serie „Masters of Sex“ lernen. Der Titel mag zwar eine eindeutig eindimensionale Machart nahelegen, aber tatsächlich gehört die Serie über das Arbeits- und Beziehungsleben der Sexualwissenschaftler William Masters (Michael Sheen) und Virginia Johnson (Lizzy Caplan) zum Besten, was die neue amerikanische Fernsehsaison zu bieten hat. Das Stück über die wissenschaftliche Erforschung der Sexualität durch zwei Charaktere, die gegensätzlicher kaum sein könnten, besticht durch Stilbewusstsein, Humor und die Erkenntnis, dass zwischenmenschliche Beziehungen, ob sie nun intim sind oder nicht, eine seltsam verzwickte Angelegenheit sind.
Der Gynäkologe Dr. William Masters und seine akademisch kaum vorgebildete Assistentin Virginia Johnson führten zwischen 1957 und 1990 zahlreiche Studien über das menschliche Sexualverhalten an der Washington University in St. Louis durch, die mit Vorurteilen aufräumten und das Thema Sexualität in den öffentlichen Diskurs brachten. Ja, es wird viel kopuliert in dieser Serie, im Privaten und unter wissenschaftlicher Aufsicht.Aber wenn Virginia Johnson mit ihrem Verehrer Dr. Ethan Haas (Nicholas D’Agosto) ins Bett geht, wird hier weniger hitziger Sex in Szene gesetzt als Johnsons Anspruch auf sexuelle Selbstbestimmung.
Und wenn der Universitätsdirektor Barton Scully (Beau Bridges) sich halb entsetzt, halb fasziniert anschickt, ein Spielzeug mit dem schönen Namen „Ulysses“ in Augenschein zu nehmen, dann hat die Serienschöpferin Michelle Ashford (sie schrieb HBOs Kriegs-Miniserie „The Pacific“) die von Missverständnissen und Frauenfeindlichkeit geprägte Sexualmoral einer ganzen Generation zu einem wunderbar absurden Bild komprimiert.Es ist vielleicht nicht zuletzt dem Blick einer Autorin zu verdanken, dass die Widersprüche und Ironien einer von Männern dominierten Ära die Serie prägen. „Es geht hier viel um weibliche Sexualität“, sagte Ashford in einem Interview mit dem „New Yorker“ über ihr größtenteils weibliches Team. „Es wäre wohl ziemlich schwierig, diese Serie bloß mit Männern zu machen.“
Ein Sexualforscher, der von Sex nichts versteht
Zu Beginn der Serie bedient sich Masters einer befreundeten Prostituierten, Betty (Annaleigh Ashford), als Forschungsobjekt. Im Schrank versteckt, notiert er seine Beobachtungen und ist wie vom Donner gerührt, als Betty ihm sagt, sie täusche ihren Orgasmus bloß vor. Betty rät Masters augenrollend, sich eine weibliche Assistentin zu besorgen, die er in Virginia Johnson findet. Warum eine Frau einen Orgasmus vortäusche, fragt er. Virginia Johnson antwortet trocken: „Normalerweise, damit sie sich wieder dem zuwenden kann, was sie lieber tun würde.“ Es ist ein schöner Zug, ausgerechnet den forschungsbeseelten Dr. Masters als einen Mann zu zeichnen, der von Sex nicht das Geringste versteht.
Michael Sheen, der den strengen Gynäkologen als Menschenfreund von schmallippigem Ernst spielt, sagte kürzlich bei einem Gespräch mit Journalisten in New York, ihn habe die Komplexität dieser Figur gereizt. „Dieser Mann ist ziemlich schwer zu fassen - einerseits hat er den tiefen Wunsch, anderen Menschen zu helfen, und setzt dafür seine Karriere aufs Spiel. Andererseits redet er seiner Frau ein, sie sei unfruchtbar, obwohl womöglich er das Problem ist, und offenbart sich damit als ebensolcher Frauenfeind wie alle anderen Männer seiner Generation.“ Masters sei ein ziemlicher Kontrollfreak. „Und dann kommt mit Virginia Johnson diese Frau in sein Leben, die sein Kontrollbedürfnis komplett durcheinanderbringt.“