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30 Jahre Privatfernsehen : Ich bin ein Sender - Holt mich hier raus!

So fing es an: Im Januar 1984 begann Radio Luxemburg seine Ausstrahlung. Hier ein Blick in ein Studio in Luxemburg während der Aufzeichnung einer Unterhaltungssendung. Bild: picture-alliance / dpa

Vor dreißig Jahren startete das Privatfernsehen in Deutschland. Wo steht es heute? Die Bilanz zeigt wenig Licht und viel Schatten.

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          Dunkel war es in der Kemenate, in der die Moderatorin Irene Joest und der Geschäftsführer Jürgen Doetz Platz genommen hatten. Es folgte ein historischer Satz: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Augenblick sind Sie Zeugen des Starts des ersten privaten Fernsehveranstalters in der Bundesrepublik Deutschland.“

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          So war das am 1. Januar 1984, morgens um 9.58 Uhr, als die „Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk“, abgekürzt PKS, in Ludwigshafen den Sendebetrieb aufnahm. Einen Tag später folgte RTLplus. Das deutsche Privatfernsehen nahm seinen Anfang.

          Das geschah zunächst weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, mit ein paar tausend Zuschauern. Aus der PKS wurde Sat.1, RTLplus wurde zu RTL, und die beiden Sender schickten sich an, den monopolverwöhnten öffentlich-rechtlichen Rundfunk Mores zu lehren. Unterhaltung war das Gebot der Stunde, und auf die verstanden sich die Herausforderer. Verbunden wird das immer mit dem vermeintlich skandalträchtigen Stichwort „Tutti Frutti“, einer Oben-ohne-ballaballa-Show, die wie Berlusconis sinnfreies Fernsehen aussah. Der Aufruhr ob dieser Novität nimmt sich heute wie eine putzige Fußnote aus. Denn das war beileibe nicht alles, was die Privaten zu bieten hatten.

          Neue Formate bei den Privaten

          Gut zehn, fünfzehn Jahre lang gaben sie das Tempo vor, mit allen Höhen und Tiefen, die man sich denken kann. Sie beförderten das Genre der Comedy, das heute auf allen Kanälen stattfindet, sie investierten in den Fußball und modernisierten die Sport-Berichterstattung, Sat.1 stellte mit dem „Talk im Turm“ eine politische Debattensendung auf die Beine, wie sie ARD und ZDF zu der Zeit nicht hatten. RTL bevölkerte das Dschungelcamp („Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“), Boulevardmagazine wie „Explosiv“ breiteten sich mit Klatsch- und-Tratsch-Geschichten aus. Margarethe Schreinemakers provozierte in ihrer Show mit einer Debatte über ihre Steuererklärung die Abschaltung.

          Die Einführung der „Daily Soap“, der Telenovela, der Castingshows und von „Big Brother“ geht auf das Konto der Privatsender, aber ebenso Harald Schmidt mit seiner unnachahmlichen Late Night und Günther Jauch mit „Wer wird Millionär?“ Der RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel legte am 11. September 2001 mit der Berichterstattung über die Terroranschläge in den Vereinigten Staaten den Grundstein für den doch recht ansehnlichen Ruf seiner Nachrichtenmannschaft. Und es gab bei Sat.1 - doch auch das ist schon zwölf beziehungsweise zehn Jahre her - große Fernsehfilme wie „Der Tunnel“ und „Das Wunder von Lengede“.

          Unternehmensgeschichte wird Wirtschaftskrimi

          Zehn, fünfzehn Jahre ging das, wie gesagt, RTL wurde zum Dukatenesel des Bertelsmann-Konzerns, die Unternehmensgeschichte von Sat.1 entwickelte sich derweil zum Wirtschaftskrimi. Das Medienreich des Inhabers Leo Kirch ging unter. Was der legendäre Satz des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer in diesem Zusammenhang bewirkte, beschäftigt die Gerichte bis heute: „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

          Helmut Thoma, damals Direktor der deutschsprachigen RTL-Programme, begrüßte die Zuschauer am 2. Januar 1984 zum Sendestart Bilderstrecke
          Helmut Thoma, damals Direktor der deutschsprachigen RTL-Programme, begrüßte die Zuschauer am 2. Januar 1984 zum Sendestart :

          Das war auf die Kreditwürdigkeit Leo Kirchs gemünzt. Im November 2012 wurde die Deutsche Bank ob dieses Diktums zu Schadensersatz verurteilt, die Höhe steht noch nicht fest. Sat.1 geriet zwischenzeitlich in die Hände des amerikanischen Investors Haim Saban, dann an die Investoren KKR und Permira, die im vergangenen Jahr ihrerseits den Ausstieg aus der „Pro Sieben Sat.1“-Gruppe eingeleitet haben.

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