Deutschstunde für alle Welt
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Achille Mbembe Bild: dpa
Denkverbot im Namen der Erinnerungskultur: Die Debatte um Achille Mbembe kommt nicht zur Sache – und zeigt dadurch, wie nötig die Kritik der kolonialen Denkungsart ist. Ein Gastbeitrag.
Es ist nunmehr sechs Wochen her, dass der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in der Presse erklärte, der kamerunische Historiker Achille Mbembe sei wegen antisemitischer Positionen als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale „nicht geeignet“. Daraus hat sich eine heftige Debatte entwickelt – dem Antisemitismusvorwurf an Mbembe wurde ein Rassismusvorwurf an Klein und andere entgegengesetzt –, ohne dass eine Annäherung der Positionen in Sicht steht. Zu Anfang diskutierte man an denselben wenigen Stellen aus Mbembes Werk – einem zweiseitigen Vorwort, einem fast dreißig Jahre alten Reisebericht, ein paar Passagen aus Büchern und Aufsätzen –, ob Mbembe antisemitische Argumentationsmuster nutzt. Werkimmanente Kritik gab es fast gar nicht, Kontextualisierung auch nicht; das Framing durch den Antisemitismusvorwurf determinierte den Blick auf das Gesamtwerk. Da die isolierte Auslegung kurzer Texte irgendwann nichts mehr hergibt, verschob sich die Kritik auf die postkoloniale Theorie insgesamt. Auch diese wurde aber auf ihre Positionen zu Holocaust und Israel verengt.
Wenn Debatten nicht vorankommen, liegt es oft daran, dass ihre Fragen die falschen sind oder die Voraussetzungen der Fragen nicht geklärt sind. Bei der Frage nach Mbembes Antisemitismus ist das der Fall. Die Norm scheint klar, gebraucht wird nur noch die Subsumtion. Eine Hermeneutik nicht so sehr des Verdachts, wie Aleida Assmann schrieb, sondern der Gewissheit über die eigene moralische Position.
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