
Marco Buschmann im kulturellen Guerillakampf
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Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, im Justizministerium in Berlin Bild: dpa
Sortiert sich die Ideenwelt jetzt um? Justizminister Marco Buschmann ruft mit dem marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci den Liberalismus auf, die kulturelle Hegemonie zurückzuerobern.
Ein Grund für die ungewohnt prekäre Lage der liberalen Demokratie heute mag sein, dass ihre Feinde sich auf die argumentative Auseinandersetzung mit ihr gar nicht erst einlassen, ihre Freunde aber aus dem Kopfnicken kaum herauskommen, so selbstverständlich, wie ihnen ihre Prinzipien erscheinen. So sah es diese Woche auch erst mal im Allianz Forum am Brandenburger Tor aus, als der FDP-Politiker und Justizminister Marco Buschmann das Buch „Liberalismus neu denken“ vorstellte. Er hatte an den Essays, die der Grüne und Gründer des Zentrums Liberale Moderne, Ralf Fücks, da herausgibt, allenfalls auszusetzen, dass ihre Gedanken so „neu“ nicht seien, wie der Titel verspricht. Und Fücks’ Mahnungen, Freiheit immer nur als „gemeinsame Freiheit“ zu verstehen und Probleme nicht zu leugnen, sondern nach liberalen Lösungen zu suchen, schienen auch das Publikum in eine Wolke wohligen Einverständnisses zu hüllen, wie sie bei Wahrheiten dieses Abstraktionsgrads angemessen ist.
Doch dann musste man plötzlich aufhorchen. Buschmann hatte gerade darauf hingewiesen, dass die Freiheit nicht nur durch die Tyrannis oder die Ochlokratie („Pöbelherrschaft“) gefährdet werden könne, sondern auch durch eine akademische Mittelschicht, die sich in ihren Narrativen einschließe. Und dann rief er mit einem kurzen komplizenhaften Seitenblick auf Ralf Fücks doch tatsächlich dazu auf, Antonio Gramsci zu folgen und „organische Intellektuelle“ hervorzubringen, die die Nöte des Volkes fühlen. Sortiert sich die Ideenwelt da auf einmal um? Der marxistische Theoretiker Gramsci lieferte bisher linken Bewegungen das Werkzeug, wie sie inmitten traditioneller oder kapitalistisch orientierter Machtverhältnisse eine kulturelle Hegemonie erringen können; später eigneten sich auch rechte Revolutionäre solche Strategien an. Was bedeutet es, wenn nun ein Liberaler und Justizminister Gramsci empfiehlt?
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