
Youtube-Stars : Louis lebt weiter
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De Funès als Knauserich in skurriler Kleidung: „Louis, der Geizkragen“ Bild: picture alliance / United Archiv
Unter den pausenlos wechselnden Youtube-Stars gibt es auch welche, die der älteren Generation bekannt sind. Nein?! Doch! Ohhh!
Ein Bonmot von Karl Kraus variierend, könnte man sagen: Was Erwachsene und Kinder voneinander unterscheidet, ist das gemeinsame Internet. Nicht wenigen Eltern jedenfalls ist kaum je begreiflich, was Jugendliche an den millionenfach geklickten Youtube-Stars, an Schminktipps einer Bianca Heinicke, Witzen der Lochis oder Minecraft-Tricks von Ungespielt begeistert. Geschenkt, dachte auch ich, als eine Gruppe Dreizehnjähriger unlängst über einen Youtube-Star in Ekstase geriet. Dass er das Komischste sei, was derzeit bei Youtube zu klicken sei, schwärmten sie, innerhalb von einer Minute könne er die irrsten Grimassen ziehen, und dann imitierten sie ihn, tobten und wüteteten dabei wie Rumpelstilzchen.
Der Gedanke, welcher Lochi da wohl wieder dahinterstecke, hatte sich indes erledigt, als ich, vor den Computer gezerrt, plötzlich begriff – nein, doch, ohhh –, wem die jugendliche Begeisterung galt: Denn der unter Teenagern so angesagte Youtube-Star ist weder jung noch besonders attraktiv, weder modern noch schick oder gar charmant, aber einer der größten seines Fachs und schon lange tot – der Komiker Louis de Funès. Und wenn der seinen Auftritt hat, dann kleben die Kinder von heute (und nicht nur sie) genauso an ihren Computerschirmen wie ihre Vorgänger in den sechziger und siebziger Jahren vor der Mattscheibe.
Schneller als das Netz
Die allmähliche Verfertigung der aufkeimenden Wut beim Reden hat tatsächlich nichts von ihrem grimmigen Witz verloren. Wie er da als kleiner Mann mit großer Nase und heimtückischer Penetranz gegen seine Chefs vorgeht, als nimmermüder pedantischer Gendarm Cruchot durchs Jetset-Leben irrt, wie er bellt und knurrt und sich in Rage redet, das ist ganz großes Youtube-Kino. Vielleicht ist das so, weil sein unerschöpfliches Repertoire an Gesichtsausdrücken und Körperzuckungen, diese unglaubliche Rasanz des Cholerikers auch als eigenständige Sequenz funktionieren.
Es hat seine eigene, zeitlose Wahrheit, was da verhandelt wird, und entfaltet Wirkung jenseits aller Kontexte. Vielmehr scheint es sogar so, als habe die Funèssche Hypernervosität am Ende mehr mit unserer auf Tempo getrimmten Zeit zu tun als mit der Gemütlichkeit französischer petits bourgeois vor 1968. Youtube aber wäre nicht Youtube, wenn Louis de Funès dort nicht längst unzählige Doppelgänger hervorgebracht hätte. Er findet sich nicht nur in Parodien mit Darth Vader oder den Simpsons. Auch McDonald’s und Minecraft haben ihn zu Werbezwecken benutzt. Wie genial das Original ist, zeigt sich auch daran, dass die Kopien nie an ihn herankommen. Nein! Doch! Ohhh!
