Die Pest in Rom im Jahr 1656 : Lockdown im Ghetto
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Abbildung eines Pestarztes in Rom im Jahr 1656 Bild: Picture-Alliance
Lasst uns auch sorgen für die Juden: Als 1656 die Pest in die Ewige Stadt kam, kooperierten die Schutzbefohlenen des Papstes mit dem drakonischen Regime.
Die Covid-19-Krise ist nichts Neues auf der Weltbühne. Epidemien und sogar Pandemien sind fast regelmäßige Erscheinungen in der Geschichte. Sie lassen sich sogar sehr gut miteinander vergleichen, nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern auch und vor allem in Bezug auf die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Krankheit durch Behörden getroffen wurden. Auch bei der Reaktion der Bevölkerung auf die harten, teils auch drakonischen Maßnahmen und bei den Methoden, mit den Maßnahmen umzugehen, gibt es erstaunliche Parallelen.
Am 20. Februar dieses Jahres, als die erste Welle der Covid-Krise Italien schon erfasst hatte, veröffentlichte der Arzt und Oberrabbiner von Rom, Dr. Riccardo di Segni, einen Aufsatz über die Pandemie von 1656 in Rom, von der das damalige römische Ghetto in hohem Maße betroffen war. Insgesamt waren durch die Seuche in Italien in den Jahren 1656/57 etwa eine Million Tote zu beklagen. Aufgrund von Chroniken und Erzählungen blieb sie auch Generationen später noch in lebhafter Erinnerung. Eine von diesen Erzählungen ist die auf Hebräisch dialogisch verfasste Darstellung von Ya’akov Zahalon (1630 bis 1693), die den Titel Otzar Hayyim („Schatz des Lebens“, Venedig 1683) trägt und auf die sich di Segni in seinem Aufsatz bezog. Ya’akov erlebte die Pest selbst als Rabbiner und als Arzt im römischen Ghetto, weshalb sein Zeugnis von großem Gewicht ist.
800 von 4100 ansässigen Juden
Die Pest kam im Mai 1656 aus Neapel durch einen infizierten Seefahrer (den damaligen Patienten null, wie man heute sagt) nach Rom und richtete großen Schaden in der Stadt an, für das Ghetto jedoch waren die Folgen noch verheerender. Von der Bevölkerung Roms – etwa 100.000 Einwohner – starben 1656 und 1657 wegen diverser Krankheiten 14.473 Menschen, von diesen 9500 an der Pest. Dass im Kirchenstaat diese Plage trotzdem verhältnismäßig milde verlief, ist nicht zuletzt den eisernen Bestimmungen von Papst Alexander VII. zu verdanken. Er ernannte einen Kommissar für die Gesundheit des Kirchenstaates, den späteren Kardinal Girolamo Gastaldi. Es wurde ein Lazarett geschaffen, in das alle Infizierten eingewiesen wurden. Die Stadttore wurden verriegelt, und aus Ländern, die von der Seuche befallen waren, wurde niemand in die Stadt eingelassen.
Die Ärzte trugen Brille, Handschuhe und Maske. Zusätzlich wurde angeordnet, alle Waren zu inspizieren, Quarantäneräume für Krankheitsverdächtige (wegen Fiebers, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Beulen am Bein) einzurichten und alle Materialien, die in Kontakt mit Infizierten gekommen waren, zu desinfizieren (damals mit Essig und Räucherungen). Einen gefährlichen, aber unentbehrlichern Beruf versah der Arzt, der die Kranken jeden Tag besuchte; einige Ärzte trugen Wachsmantel, Schutzbrille, Handschuhe und eine Maske. Auffällig war die sogenannte Schnabelmaske, die mit Kräutern sowie Düften gefüllt war, die gegen die Inhalation der Krankheitserreger schützen sollten. Paul Fürst (1608 bis 1666) hat den Pestdoktor in seinem Kupferstich „Doctor Schnabel von Rom“ (circa 1656) satirisch abgebildet.
Ein idealer Raum für die Verbreitung der Pest
Im Ghetto starben verhältnismäßig mehr Menschen an der Pest. Laut der Chronik Zahalons fielen ihr 800 von 4100 ansässigen Juden zum Opfer, also fast ein Fünftel gegenüber 9,5 Prozent der Stadtbevölkerung. Für die hohe Sterblichkeit in der jüdischen Gemeinde gibt es mehrere Gründe. Da die Juden Roms – wie in den Ghettos anderer Städte – eng beieinander leben mussten, war die Gefahr einer Infektion viel größer als für die christliche Gemeinde. Christen hatten (zumindest teilweise) die Möglichkeit, Rom zu verlassen, wovon etwa 10.000 Gebrauch machten. Dazu kam, dass Trastevere, der römische Stadtteil, in dem das Ghetto lag, ein äußerst schmutziger Teil Roms war, wo Ratten und anderes Ungeziefer grassierten. Dort befanden sich auch die Kloake und die Lederverarbeitung, insgesamt also ein idealer Raum für die Verbreitung der Pest.