Leben in Iran : Der Teufel trägt Krawatte
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Die Mittelschicht gibt den Ton an: Iranische Frauen feiern das Atomabkommen in Teheran. Bild: AFP
Hundehaltung verboten, Zusammenleben nur mit Trauschein, Rang 19 beim Alkoholkonsum: Wird sich Iran nach dem Atomabkommen in ein anderes Land verwandeln?
In diesen Tagen fragen manche Menschen im Westen, was Iran nach dem Atomvertrag wohl für ein Land sein wird. Die Antwort, die als Iraner man darauf geben kann, ist folgende: ein Iran ähnlich dem Iran zuvor, das heißt ein zielloser Iran, dessen Gegensätze sich von Tag zu Tag verschärfen. Ein Iran, das ständig mit der Frage konfrontiert ist: „Werde ich am Ende meiner eigenen Vergangenheit oder der Zukunft der anderen gleichen?“
Vor einiger Zeit, als auf dem 44. Weltwirtschaftsforum Davos in der Schweiz, an dem der iranische Präsident in Begleitung einer Delegation teilnahm, einer seiner Berater eine Krawatte trug, war auf einer Website der Hardliner unter dem Eintrag „Berater Rohanis ist Krawattenträger geworden“ zu lesen: „Nun müssen wir Herrn Rohani fragen: ,Wie können die Voten eines solchen Beraters nationale Unabhängigkeit, nationale Ehre und iranisch-islamischen Geist widerspiegeln?‘“
Der Teufel trägt Krawatte
Die Krawatte in ihrer heutigen Form ist ungefähr zur Zeit des Ersten Weltkrieges, wahrscheinlich gleichzeitig mit ihrer Verbreitung im Westen, in Iran eingeführt worden. Früher gab es unterschiedliche Formen von Krawatten, die auch auf Abbildungen von iranischen Männern zu sehen sind. Zu jener Zeit galt Krawattentragen als ein Ausdruck von Modernität und wurde zur Zeit des Schahs vor allem von Militärs und zivilen Staatsbeamten eifrig praktiziert. Noch zu Beginn der islamischen Revolution trugen manche Revolutionäre Krawatte. Später jedoch, genau wie in den anderen Bereichen auch, wurde der Kreis der „Dazugehörenden“ immer enger, und die Hardliner definierten Distanzierung von allem Westlichen als Unterscheidungskriterium zwischen sich und den anderen.
So wurde das Krawattentragen zu einer weltanschaulichen und ideologischen Frage. Die Krawatte wurde nicht mehr als Ausdruck von Kultiviertheit und Fortschritt, sondern als Anzeichen für die Verhextheit der Seele des Menschen aufgefasst, und die Revolutionäre erwähnten die Krawatte in ihrer Propaganda als das Symbol von Freimaurertum und Satanismus, ja gar als eine Abwandlung des christlichen Kreuzes.
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In den vergangenen Jahren hat die Sittenpolizei des Öfteren die iranischen Ärzte, die konsequentesten Krawattenträger des Landes, verwarnt. Im Rahmen der letzten Maßnahmen der Regierung in dieser Sache wurden neulich Ladenbesitzer, die Krawatten führen, angewiesen, diese vom Hals der Schaufensterpuppen loszubinden und aus dem Angebot zu nehmen. Dennoch ist schon seit den ersten Jahren nach der Revolution der Kampf gegen den Westen im Bereich der Symbole nicht auf die Krawatte beschränkt geblieben. Sehr bald weitete er sich auf die Fragen des Rasierens und der Verwendung von Kölnisch Wasser aus, und besonders das Barttragen gewann eine politische Bedeutung. In der Zwischenzeit bekamen auch Farben eine kulturpolitische Bedeutung. So unterschied sich das Lager der Revolutionäre von dem der Nichtrevolutionäre in der Bevorzugung dunkler Farben, die eher an Beerdigungen und Trauerfeiern getragen werden, gegenüber hellen und heiteren Farben, die für Spaß und Leben stehen.