Lagebericht in 45 Punkten : Amerika, du hast es schlechter
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17 Warum wird in Amerika von Seiten der Unternehmen der Zusammenhang von Regulation und technologischem Fortschritt immer schnell in Abrede gestellt? Hat es den Konzernen wirklich geholfen, dass sie in Washington durch ihre Lobbybüros Umweltauflagen immer wegdrücken konnten, deswegen aber häufig (etwa im Automobilbau) den Anschluss an den technologischen Stand verloren haben?
18 Das gilt zumal in einer Zeit, in der mit China zum ersten Mal eine weltwirtschaftliche Kraft auf die Bühne tritt, die Amerika numerisch - etwa bei der Anzahl der zur Verfügung stehenden Ingenieure - weit überlegen ist. Haben die Europäer - und gerade auch die Deutschen - in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts vor dem Hintergrund der real existierenden amerikanischen Herausforderung nicht genauso lernen müssen, mit ihren sehr viel dünneren personellen Ressourcen besser hauszuhalten?
19 Der amerikanische Glaube an die magischen Kräfte von Silicon Valley und Venture Capital ist ungebrochen. Doch war der Internetboom wirklich etwas genuin amerikanisches, und ist er daher noch einmal wiederholbar? Oder beruhte das Wunder nicht zum Gutteil auf dem historischen Zufall, dass viele indische, chinesische und taiwanische IT-Ingenieure, in Amerika ausgebildet, damals in ihren Heimatländern noch keine Wagniskapitalstrukturen vorfanden, um ihre Projekte und Erfindungen zu Hause umzusetzen, so wie das heute immer mehr der Fall ist?
20 Selbst wenn man denkt, das Phänomen Silicon Valley müsste doch eigentlich wiederholbar sein: Sind die Grundvoraussetzungen der seinerzeitigen IT-Revolution wirklich mit den Gegebenheiten der Umwelt- und Energierevolution von morgen vergleichbar? Damals genügte es, mit neuen Ideen hervorzutreten. Die Finanzierung von Internet-Startups ist bekanntermaßen relativ billig („Sieben Leute in einer Garage“. . .).
21 In der Umweltrevolution ist hingegen die Amortisierung von Projekten über viel längere Investitionszeiträume erforderlich. Ist die amerikanische Politik heutzutage überhaupt in der Lage, Zeiträume von dreißig Jahren verlässlich abzustecken? In einem Kongress, der Steuerrabatte für Forschungs- und Entwicklungsausgaben von Unternehmen allenfalls in Zweijahreszeiträumen erneuert? Und was helfen da Investoren, die nach Möglichkeit alles und schnell und mit einem hohen „return“, dabei aber nach Möglichkeit risikofrei, haben wollen?
22 Was ist ganz grundsätzlich die Zukunft einer Gesellschaft, deren Eliten im „Finanzialismus“ ersticken, soll heißen, alles auf die eine Industrie setzen, in der man - dem eigenen Vernehmen nach - weiterhin weltweit überlegen ist?
23 Kann eine solche Gesellschaft wirklich so einfach den Hebel herumwerfen und sich aus beschäftigungspolitischen Gründen über Nacht wieder zu „re-industrialisieren“ - oder sollte man sagen: re-germanisieren, wie es nun Koryphäen wie der General-Electrics-Chef Jeff Immelt regelmäßig verkünden?
24 Und wie steht es überhaupt mit einer Gesellschaft, deren Elite mittlerweile jeglichen Sinn für Selbstdisziplin - und materielle Bescheidenheit - verloren hat? Die sich aber obendrein über „death taxes“ beklagt, obwohl fast alle realen Einkommenszuwächse bei den oberen ein bis zwei Prozent der Einkommensskala landen?