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Kurzfilme Wettbewerb : Zehn Minuten Glück: Tom Tykwers „True“

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Tom Tykwers Wiederbelebungstherapie: „True”

Tom Tykwers Wiederbelebungstherapie: „True” Bild: Berlinale

Tom Tykwers "True" ist nichts anderes als das, was er zeigt: zehn Minuten Glück. Ein Kunststück. Und mehr, als man von einem Kurzfilm im Berlinale-Programm erwarten kann.

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          Am Anfang von Tom Tykwers "True" sieht man einen Mann am Laptop sitzen. Er ist jung, er ist blind, er schreibt an irgendeinem hochwichtigen Projekt. Da klingelt das Telefon. Seine Freundin ist dran, Francine, und sie sagt: "Thomas, ich verlasse dich. Es ist vorbei." Und der Blinde legt den Hörer auf, und in diesem Augenblick beginnt ein Film in ihm abzulaufen, ein Liebesfilm, den wir mit seinen Augen sehen: Thomas und Francine.

          Da läuft Thomas (Melchior Beslon) durch eine Straße in Paris und hört ein Mädchen schreien und gegen die Wand schlagen. Und das Mädchen ist Francine (Natalie Portman), die sich auf ihre Schauspielprüfung vorbereitet. Sie sei nicht überzeugend, mault Francine, aber Thomas sagt: "Du hast mich überzeugt." Und er bringt sie zum Conservatoire, und sie werden ein Paar.

          Rausch der Beschwörung

          Und jetzt, da sie sich küssen, in Thomas' Wohnung, vor der Gare du Nord, am Kanal Saint-Martin, beginnt der Film zu beschleunigen, er rafft die Bilder, wie ein Liebender seine Erinnerungen zusammenrafft - und wie Tykwer schon in "Lola rennt" die Biographien der Passanten gerafft hat, denen Lola begegnet -, er legt eine Umarmung, einen Streit, eine Spazierfahrt, einen Nachmittag im Park, eine Party bei Freunden, einen Einkaufsbummel wie Puzzleteile aus, die nicht mehr zusammenpassen, mischt und sortiert sie wieder neu und dreht sich immer wilder in sich selbst, und währenddessen hört man Thomas' Stimme, die sich von all diesen Momenten verabschiedet, indem sie sie beschwört. So vergehen knapp zehn Minuten, und da, plötzlich, klingelt noch einmal das Telefon. Und dann ist der Film auch schon vorbei.

          "True", der als Episode des Omibus-Projekts "Paris je t'aime" entstand, sei eine "Wiederbelebungstherapie" gewesen, erzählt Tom Tykwer, und wenn man im Abspann die Widmung an Franka Potente liest, mit der er bis vor zwei Jahren zusammen war, ahnt man, wovon er spricht. 98 Szenen hat Tykwer in vier Tagen an 31 Orten gedreht, eine rekordverdächtige Leistung. Aber das alles muß man eigentlich nicht wissen, denn der Rausch der Wiederbelebung, die er beim Drehen erlebte, hat sich auf "True" übertragen. Der Film ist nichts anderes als das, was er zeigt: zehn Minuten Glück. Ein Kunststück. Und mehr, als man von einem Kurzfilm im Berlinale-Programm erwarten kann.

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