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Kunstmesse TEFAF : Teuflisch gut durch Raum und Zeit zur Kunst reisen

  • -Aktualisiert am

Engelssturz bei Botticelli Antichità (Florenz): aus Holz geschnitzter Luzifer aus Neapel, 1680/80, für 70.000 Euro Bild: Botticelli Antichità

In dieser riesigen Wunderkammer können sich nicht nur Kenner verlieren: Die Kunst- und Antiquitätenmesse TEFAF in Masstricht überzeugt wieder einmal mit ihrem phantastischen Angebot.

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          Die Maastrichter Kunstmesse TEFAF ist in voller Stärke und Qualität zurück. Nach der Pandemie-Phase, auf die eine Kürzung und Terminverschiebung im vergangenen Jahr folgten, stehen nun wieder rund 270 Kunsthandlungen in den neun angestammten Märztagen mit einem Angebot bereit, wie es keine andere Kunstmesse der Welt bieten kann. Der Gang durch die Halle gleicht einem atemraubenden Ausflug zu Kunst aus aller Herren Ländern und Kultur vieler Epochen. Von Antiken über Alte Meister geht es bis zum Design, das sich mithilfe von KI fast selbst entwirft. Mit diesem Angebot ragt die TEFAF selbstbewusst aus einer Messelandschaft, die ihr Programm mit dem Argument, alte Kunst tue sich zunehmend schwer, weitgehend auf moderne und neueste Kunst ausrichtet hat.

          Sicher, der Altmeistermarkt ist etwas für Kenner und Liebhaber. Die aber werden in Maastricht fündig: Schon bei der Vorbesichtigung klebte bei Porcini aus Neapel ein roter Punkt für bereits verkaufte Ware neben Luca Giordanos „Traum des Don Ramiro“ und einem Domenico Tiepolo zugeschriebenen Herrenbildnis bei Miriam Di Penta, die eine der zehn Stände für neuere Galerien bespielt. Von Tiepolos Vater Giambattista hängt ein hinreißendes Gemälde tollender Pulcinelli bei Robilant + Voena (London, Mailand, New York), einer Galerie, die ihre Expertise breit vom 15. Jahrhundert bis zu Artefakten von heute spannt.

          Tolles Treiben bei Robilant + Voena (London, Mailand, Paris, New York): Giovanni Battista Tiepolo, „Pulcinelli“, um 1730, Öl auf Leinwand, Preis auf Anfrage Bilderstrecke
          TEFAF Maastricht 2023 : Selbstbewusst herausragend

          Wie jedes Mal wandern auch von dieser TEFAF Werke in Museen – oder kommen von dort, wie die Skulptur eines heiligen Georgs zu Pferd aus Tirol, welche die Kunsthändlerfamilie Böhler mit Teilen ihrer Sammlung ins Bayerische Nationalmuseum in München entlieh und nun für 750.000 Euro anbietet. Oder Oskar Kokoschkas Aquarell eines expressiv tanzenden Mädchens im blauen Kleid, das aus ehemaligem Besitz Serge Sabarskys die Neue Galerie in New York als Leihgabe schmückte, bevor es nun für 1,2 Millionen Euro bei Wienerroither & Kohlbacher (Wien) zu erwerben ist. Dort am Stand hört man, Ronald Lauder sei in Maastricht; von Kaufabsichten das Aquarell betreffend war vorerst nicht die Rede.

          Es lohnt immer, mit Händlern ins Gespräch zu kommen. Die meisten geben ihr Wissen, vor allem auch ihre Entdeckungen, nur allzu gerne weiter. So berichtet Georg Laue aus München vor seinem grandiosen Rothschild-Olifanten, einem um das Jahr 1645 aus Elfenbein geschnitzten Jagdhorn mit ineinander verschlungenen Tieren, dass als dessen vergessener Meister dank eines Archivfundes der Straßburger Johann Michael Egner ausgemacht werden konnte. Damit war auf einen Schlag auch der Schöpfer diverser stilistisch vergleichbarer Stücke in Museen identifiziert. Einen um 1600 aus Bein gedrechselten Leuchter veräußerte Georg Laue schon in den ersten Stunden der Messe an ein deutsches Museum.

          Etablierte Namen der Moderne

          Frides Laméris erzählt, dass der Dirigent Nikolaus Harnoncourt oft alte Gläser bei ihr in Amsterdam gekauft habe, die sie nun aus seinem Nachlass wieder anbieten kann, und sie weist auf ein Weinglas mit Löwen am Stiel, das ein holländischer Bläser bravourös venezianischer Glaskunst nachempfand. Ob sich Harnoncourt auch für alte Musikinstrumente begeisterte, wie sie Jean Michel Renard, Experte auf diesem Spezialgebiet, in Fülle anbietet? Sein Stand ist ein Erlebnis für sich, nicht anders als der von Delalande aus Paris, der nautisches Gerät, prachtvolle Globen und alte Seekarten in einer Art Schiffskajüte präsentiert. Bei der Florentiner Galerie Botticelli überrascht erst hinter mehreren Klostertüren des 16. Jahrhunderts ein herabstürzender Luzifer, geflügelt und mit Teufelshaupt, ein Stück neapolitanischen Kirchentheaters des Barockzeitalters (70.000 Euro).

          Das eher sparsam vertretene 19. Jahrhundert pflegt man bei Agnews Works on Paper (Brüssel) nicht nur mit William Turners großem Aquarell „Splügen Pass“ (1,6 Millionen), sondern auch mit dem Meisterstück einer dramatischen Skizze „Gewitter im Mondschein“, die der norwegische Romantiker Peder Balke mit breitem Pinsel, schwarzer Farbe und Furor aufs Papier schmetterte (120.000). Die breit gestreute klassische Moderne setzt ganz auf etablierte Namen. Eine der wenigen Ausnahmen bringt Ludorffs (Düsseldorf) Sonderschau zu der im internationalen Kontext noch weniger bekannten Lotte Laserstein ein.

          Auch bei zeitgenössischer Kunst verlässt man sich vorsichtshalber auf bekannte Namen: Bei Schönewald warten rote Äpfel von Karin Kneffel (275.000), bei der Galleria Continua baumelt ein totenschädelbestückter Kronleuchter aus schwarzem Muranoglas von Ai Weiwei, und um Daniel Burens selten gesehene Malerei aus den Sechzigern ließ Kamel Mennour aus Paris den Künstler einen Stand mit seinen typischen Streifen und Spiegeln gestalten (ab 550.000). Mit Templon ist unter den zehn Erstausstellern ein weiterer Platzhirsch der Pariser Contemporary-Szene.

          Neu hinzu kam aus London Prahlad Bubbar mit indischer und islamischer Kunst; zum Einstand zeigt er auch Man Rays 1930 aufgenommene Por­träts des Maharadschas von Indore. Der Raubüberfall vom vorigen Jahr, zu dem die Ermittlungen noch laufen, hat keinen der Juwelenhändler – außer dem geschädigten – von neuerlicher Teilnahme abgeschreckt. Ihr Messegeschäft scheint also bombig zu laufen. Aber die Sicherheitsmaßnahmen wurden verschärft: Damen sind nun aufgefordert, nur ganz kleine Handtaschen dabeizuhaben.

          TEFAF, im MECC Maastricht, bis 19. März, Eintritt 45 Euro

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