Verkauf der Warhol-Bilder : Die Zocker vom Nordrhein
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NRW-Ministerpräsidentin Kraft findet, dass Kultur dazu da ist, verschuldete Casinos mit Spielgeld zu versorgen. Sie hält am Verkauf der zwei Warhol-Bilder fest. Sie seien kein direkter Landesbesitz.
In der Auseinandersetzung um den Plan der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, zwei extrem rare und teure Bilder von Andy Warhol im November in New York versteigern zu lassen, werden die Argumente der verantwortlichen Landespolitiker immer halsbrecherischer. Manche dieser Begründungen muss man zweimal lesen, um sie überhaupt glauben zu können. So erklärt beispielsweise die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in ihrer Antwort auf das Protestschreiben von 26 Museumsdirektoren des Landes gegen den Verkauf dieser Werke, die Warhols könnten nicht Museen übergeben werden.
Warum? Weil sie kein „nationales Kulturgut gemäß Kulturgutgesetz“ darstellten und „auch nicht in der Datenbank Kulturschutzgut Deutschland (gemeint ist vermutlich die Datenbank national wertvolles Kulturgut) geführt“ würden. Das ist entweder Augenwischerei oder Kenntnisfreiheit. Denn die Grundlage dafür, dass ein Bild in einem deutschen Museum aufbewahrt wird, ist nicht sein Status als unveräußerbares nationales Kulturgut.
Dabei sind die entscheidenden Fragen noch immer unbeantwortet: Wer war und ist denn die Westspiel – diese heutige Tochter der NRW-Bank, die das Casino in Aachen betreibt, in dem die Bilder bis vor fünf Jahren hingen –, dass sie in den siebziger und achtziger Jahren „autonom“ und „aus eigenen Mitteln“, so steht es im Brief von Hannelore Kraft, Kunst anschaffen konnte? Was heißt denn „eigene Mittel“ bei einem Betrieb, der seine Überschüsse an den Staat abführt? Ab welchem Grad an Autonomie kann ein solches Haus denn den Bürgern Nordrhein-Westfalens – als Eigentümern des „Triple Elvis“ und der „Four Marlons“ – den Rücken zudrehen?
Arbeitsplätze statt Wandschoner
Tatsächlich wird von der Landesregierung mantrahaft wiederholt, dass die Westspiel sämtliche Überschüsse aus den Glücksspielerlösen im Aachener Casino an das Land abführen muss. Da konnte ja kaum etwas für Kunst übrig bleiben. Im Gegenzug gibt das Land der Westspiel wieder Geld zurück, damit die Spielhölle nicht ganz den Bach runtergeht. Unverdrossen wird aber behauptet, die Westspiel agiere als „rechtlich selbständiges, bilanzierendes und wirtschaftliches Unternehmen“: Das ist eine sehr unorthodoxe Form „autonomer“ Firmenführung.
Übrigens ist die Abqualifizierung der Warhols als „Deko“ oder „Investment“ eine ziemlich schlechte Camouflage für die Tatsache, dass die Westspiel, anders als behauptet, durchaus ihrem Verständnis nach Kunst gesammelt hat. Warum sonst gäbe es einen Katalog der von ihr erworbenen Werke? Entsprechend überraschend ist der Hinweis der Ministerpräsidentin, dass die Werke für die Museen auch deshalb nicht in Betracht kommen, „da nur ein Ankauf aus Steuergeldern zum Marktwert möglich wäre. Dies ist zurzeit nicht darstellbar.“ Wieso denn das? Warum sollte das Land denn Kunstwerke kaufen – die ihm von allem Anfang an gehörten und noch immer gehören?
Nun zu Reiner Priggen, dem Fraktionschef der Grünen im Landtag, der sich ganz hinter den Verkaufsplan – traten die Grünen nicht einst für die Bedeutung von Kultur in unserer Gesellschaft ein? – stellt: „Die Überlegung war, dass diese beiden Objekte auf dem Markt die höchsten Preise erzielen und am meisten Geld erlösen, so kann zur Sicherung von hundert Arbeitsplätzen in Aachen beigetragen werden.“ Wie, bitte, soll das denn gehen? Oder darf eine solche Äußerung schlicht als populistisch bezeichnet werden: Arbeitsplätze statt Wandschoner.
Regenwasser in der Wüste
Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Weil aktuell der internationale Kunstmarkt hohe Preise für Werke Warhols bezahlt, können sie also genau diesem ach so spekulativen Markt in den Rachen geworfen werden – für eine Handvoll Millionen Euro, zugunsten schierer Zockerei? Oder welche edlen Taten sollen mit dem Erlös dieser Bilder noch vollbracht werden, welche Haushaltslöcher außerdem oberflächlich zugedeckt?
Die Bilder sind dann jedenfalls weg, für immer. Während das Geld, das sie in die nordrhein-westfälische Landeskasse (nicht in die autonome Kasse von Westspiel!) spülen, versickern wird wie Regenwasser in der Wüste. Und erst wenn das letzte Bild verscherbelt ist, wird man feststellen, was die Minderachtung von Kultur einer Gesellschaft antut. Kennt Herr Priggen den Begriff „Präzedenz“?
Hier lässt ein harmlos klingender Satz im Brief der Ministerpräsidentin an die Museumsdirektoren ihres Landes aufhorchen: Die Landesregierung beabsichtige nicht, „Kunst, die sich im direkten Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen befindet, zum Zweck der Haushaltskonsolidierung zu veräußern“. Was heißt hier „direkter Besitz“? Wie viele Unternehmen à la Westspiel gönnt sich das Land wohl, die ebenfalls Kunstwerke haben und verscheuern könnten?
Die normative Kraft des Faktischen
Der geplante deal mit den Warhols ist ja nur so öffentlich geworden, weil das Auktionshaus Christie’s so laut für seine heißen Spitzenlose getrommelt hat. Das geht auch ganz diskret: Die Abwicklung von private sales, hinter verschlossenen Türen und mit äußerster Diskretion, gehört längst zum Kerngeschäft des Auktionsmarkts. Dann ist auch der letzte Rest an Transparenz dahin.
Es geht nicht bloß um Elvis und Marlon, es geht ums Ganze des Umgangs mit den Kulturgütern Deutschlands, von denen eine ganze Menge sehr viel Geld wert ist. Es geht ums Prinzip im Umgang mit der Kultur, die im Wortsinn res publica ist, Sache der Allgemeinheit. Werke wie die Warhols lassen sich als assets bezeichnen. Dass man sie auch raushauen kann, buchstäblich zweckentfremdet verspielen, führt nun in bisher nicht gekannter Weise Nordrhein-Westfalen vor. Die berüchtigte normative Kraft des Faktischen hat sich bereits hoch aufgerichtet.
Der Vertrag mit dem Auktionshaus lasse sich nicht rückgängig machen, so der Tenor. Dagegen kann auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit politischen Mitteln nichts ausrichten. Ihre guten deutlichen Worte, die von einem unanständigen „Systembruch“ sprechen, richten sich an die Vernunft. Damit sieht es nicht gut aus in Nordrhein-Westfalen.