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Urheberrechtsstreit in den USA : Durch den Warhol-Filter

  • -Aktualisiert am

Streitobjekte: links Lynn Goldsmiths Fotografie von Prince, rechts Andy Warhols darauf basierendes Bild „Orange Prince“ Bild: U.S. Court of Appeals

Um Originalität geht es nur am Rande bei dem Urteil des Supreme Court, dass Andy Warhol die Urheberrechte einer Fotografin verletzt hat. Es zeigt: Auf den Kontext kommt es an.

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          Andy Warhol, kanonisierter Pop-Art-Meister in Sachen künstlerischer Aneignung von Fotografien, werde vom obersten amerikanischen Gericht behandelt „wie ein Instagram-Filter“, wütet die Richterin Elena Kagan – steht aber mit dieser Einschätzung unter ihren Kolleginnen und Kollegen vom Su­preme Court ziemlich allein da.

          Die urteilten mehrheitlich, Warhol habe sich der Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht. Damit entspricht das Ge­richt einer in erster Instanz noch ab­gewiesenen Klage der Fotografin Lynn Goldsmith, die 1981 den Popstar Prince für „Newsweek“ por­trätiert hatte. Ihr Schwarz-Weiß-Foto wurde auch vom Verlagshaus Condé Nast verwendet: als Vorlage für Bilder Warhols im Stil seiner berühmten Siebdruckbildnisse.

          Ein Porträt, das den Kopf des Musikers mit lilafarbenem Inkarnat vor rotem Fonds zeigt, wurde 1984 in „Vanity Fair“ veröffentlicht – unter Hinweis auf Goldsmith, doch nach deren Aussage ohne ihre Kenntnis. Eine weitere, orange dominierte Fassung erschien 2016 nach Princes Tod in einem Gedenkheft, ohne Verweis auf die Fotografin.

          Ist das „Fair Use“?

          Die Andy-Warhol-Stiftung, die Bildrechte des 1987 gestorbenen Künstlers selbst bissig wie ein Schießhund vertritt, hatte sich auf die „Fair Use“-Regel zurückgezogen: Aneignung von Kunst anderer ist okay, wenn daraus eigenständige neue Kunstwerke entstehen.

          Mit der ästhetischen Originalität von Warhols Interpretation hält sich das Urteil allerdings gar nicht weiter auf. Sein springender Punkt ist, dass Warhols Porträts nach Auffassung der Richter als Bebilderung von Artikeln über den Musiker in Magazinen als direkte Konkurrenz zu der fotografischen Vorlage auftraten und in gleicher, kommerzieller Funktion. Das unterscheide sie etwa von Warhols Aneignungen der Campbell-Suppendosen, die eben nicht als Suppendosenwerbung dienten. Damit hat das Gericht eines richtig erkannt: Original oder Plagiat, Kunst oder Kitsch – auf den Kontext kommt es an.

          Ursula Scheer
          Redakteurin im Feuilleton.

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